DECKUNGSAUSWEITUNG

Sozialschutz in den BRICS‑Ländern

DECKUNGSAUSWEITUNG

Sozialschutz in den BRICS‑Ländern

Die BRICS-Länder verfolgen gemeinsame Ziele im Bereich Sozialschutz, und ihre jüngsten Initiativen zur Ausweitung und Verbesserung der Deckung der sozialen Sicherheit haben stark dazu beigetragen, dass weltweit Fortschritte auf dem Weg zu einem universellen Sozialschutz erzielt werden konnten. Der BRICS-Rahmen für Zusammenarbeit in der sozialen Sicherheit wird durch die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) und die Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) unterstützt, unter anderem mit der gemeinsamen Beherbergung eines Virtuellen Verbindungsbüros. IAO und IVSS liefern seit 2015 wissenschaftliche Erkenntnisse für die jährlich stattfindenden Treffen der BRICS‑Arbeits- und Beschäftigungsminister und ihrer Arbeitsgruppe.

Mit dem Kürzel BRICS werden die Länder Brasilien, Russische Föderation, Indien, China und Südafrika bezeichnet, die zusammen ungefähr 42 Prozent der Weltbevölkerung und 32 Prozent des globalen BIP ausmachen. Am 1. Januar 2024 wurden auch Ägypten, Äthiopien, die Islamische Republik Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate Mitglieder der BRICS‑Kooperation.

Für die BRICS-Länder hat der Sozialschutz einen hohen Stellenwert, und auf dem Gipfel diskutierten diese Länder Fortschritte auf dem Weg zu nachhaltigen und universellen Sozialschutzsystemen. Die Zusammenarbeit der Regierungen, Sozialpartner und zivilgesellschaftlichen Organisationen der BRICS-Länder und verschiedener internationaler Organisationen wie der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) wurde intensiviert. Damit verfügen die BRICS-Länder nun über ein großes Potenzial, einen positiven Beitrag zu den globalen Anstrengungen im Bereich Ausweitung der Deckung der sozialen Sicherheit zu leisten.

Die IVSS startete ihr BRICS‑Projekt bereits im Jahr 2011, um Entwicklungen der sozialen Sicherheit in den BRICS-Ländern zu verfolgen, mit einer besonderen Aufmerksamkeit für die Ausweitung der Deckung. 2013 veröffentlichte die IVSS den Bericht Ausweitung der Deckung der sozialen Sicherheit in den BRICS-Ländern: Eine vergleichende Studie über die Ausweitung der Deckung in Brasilien, der Russischen Föderation, Indien, China und Südafrika.

Die IVSS leistet seit 2015 gemeinsam mit der IAO wichtige Beiträge zum jährlichen BRICS‑Arbeits- und Beschäftigungsministertreffen sowie zu den Treffen der BRICS-Arbeitsgruppe über Beschäftigung. In der Erklärung der BRICS‑Arbeits- und Beschäftigungsminister von 2017 (Chongqing, China) wurde der BRICS-Rahmen für Zusammenarbeit im Bereich der sozialen Sicherheit verabschiedet, der die Zusammenarbeit unter den BRICS-Ländern sowie mit anderen Ländern, unterstützt von IAO und IVSS, voranbringen soll. Als Teil dieser Entwicklung wurde auch das Virtuelle Verbindungsbüro eingerichtet. Daraufhin wurde im November 2019 während der Globalen Sozialschutzwoche der IAO das BRICS‑Engagement für einen nachhaltigen und universellen Sozialschutz verabschiedet. Außerdem organisierte das Virtuelle Verbindungsbüro im April 2021 in enger Zusammenarbeit mit dem indischen Ministerium für Arbeit und Beschäftigung das erste Interaktive Webinar für BRICS-Führungskräfte Conducting Negotiations on Social Security Agreements between Nations: Initiation Approaches and Procedures (Verhandlungsführung für zwischenstaatliche Vereinbarungen der sozialen Sicherheit: Ansätze für den Einstieg und Verfahren).

Entwicklungen der sozialen Sicherheit in den BRICS‑Ländern

Brasilien

Das brasilianische Gesamtsystem der sozialen Sicherheit umfasst verschiedene beitragsabhängige und beitragsunabhängige Einzelsysteme und erreicht damit eine hohe Bevölkerungsdeckung. Das Rentensystem für landwirtschaftlich Beschäftigte ist ein gut auf diese Arbeitnehmer abgestimmtes System, das Altersrenten anbietet. Die Deckung der sozialen Sicherheit wurde durch einen Kombibeitrag auf Selbstständige und Beschäftigte von Mikrounternehmen ausgeweitet, was die Formalisierung von Mikrounternehmen erleichtert. Hausangestellte profitieren nun von einer Arbeitslosigkeits- und einer Arbeitsunfallversicherung. Das brasilianische Sozialhilfeprogramm Bolsa Familia wurde im März 2023 neu aufgelegt und deckt ungefähr 21 Millionen Familien. Zudem wurde es um eine neue Ergänzungsleistung für Kinder von 0 bis 6 Jahren erweitert.

Russische Föderation

In der Russischen Föderation beruht die universelle Deckung der sozialen Sicherheit auf einem System aus Sowjetzeiten, das immer noch verschiedene versicherungsunabhängige Elemente enthält, die eine soziale Unterstützung für alle ermöglichen sollen. Das geerbte universelle System hat seit der Zeit des Sozialismus allerdings einige Veränderungen durchlaufen und droht, aufgrund der verbreiteten informellen Beschäftigung nicht zuletzt infolge der zunehmenden Migration, Selbstständigkeit und Plattformbeschäftigung an Deckung einzubüßen. Um den neuen Herausforderungen und der wachsenden Ungleichheit gerecht zu werden, wurden in zentralen Bereichen der sozialen Sicherheit umfassende gezielte Reformen und strategische Maßnahmen verabschiedet, darunter auch einige obligatorische und freiwillige Programme. Mit dem Gesetz über die „Beschäftigung der Bevölkerung“ von 2022 wurde versucht, die Anspruchsvoraussetzungen und die Arbeitslosigkeitsversicherungsleistungen zu vereinfachen und die Arbeitgeber zur Übermittlung besserer Informationen an die Arbeitsämter zu verpflichten.

Indien

Indien verfügt über ein breit aufgestelltes Gesamtsystem der sozialen Sicherheit, das sowohl Sozialversicherungs- als auch Sozialhilfesysteme auf zentralstaatlicher und bundesstaatlicher Ebene umfasst. Obwohl fast 90 Prozent der Arbeitsbevölkerung im informellen Sektor tätig sind, verpflichtete sich die Regierung mit dem Gesetz der sozialen Sicherheit von 2020 zu einer fortschreitenden Universalisierung der Deckung der sozialen Sicherheit und führte ein neues elektronisches Anmeldesystem (e-Shram) ein, das die geografische Ausdehnung der Deckung in ganz Indien deutlich erweitern soll. Die Nationale ländliche Beschäftigungsgarantie Mahatma Gandhi deckt gegenwärtig 17 Millionen ländliche Arbeitnehmer und gewährt entweder 100 Tage einer gesicherten Beschäftigung pro Jahr in öffentlicher Beschäftigung oder eine Arbeitslosigkeitsleistung, falls es keine Arbeit gibt. Indien setzt sich zudem dafür ein, bis 2030 eine universelle Krankenversicherungsdeckung für alle Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, was auch dazu beitragen soll, die übrigen Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zu erreichen.

China

China hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten bei der Entwicklung sowohl beitragsabhängiger als auch beitragsunabhängiger Systeme beeindruckende Erfolge erzielt, unter anderem dank der Transformation von Führung und Verwaltung und dank des innovativen Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechnologien. So erreichte China eine universelle Deckung des Renten- und des Krankenversicherungssystems und führte landesweit sowohl in der Stadt als auch auf dem Land bedürftigkeitsabhängige Sozialhilfesysteme ein. Bei der Ausweitung der Deckung der Arbeitslosigkeits-, Arbeitsunfall- und Mutterschaftsversicherungssysteme wurden Jahr für Jahr stetige Fortschritte erzielt. In 49 Städten wurde bis Ende 2022 eine Langzeitpflegeversicherung eingeführt, die mittlerweile rund 170 Millionen Menschen abdeckt. 2022 wurde die Grundrentenversicherung für städtische Angestellte auf nationaler Ebene zusammengelegt, und in 36 Städten oder Präfekturen wurde eine dritte Säule des individuellen Rentensystems eingeführt.

Südafrika

Der Zugang zu sozialer Sicherheit ist in Südafrika ein verfassungsmäßiges Recht. Die Leistungsdeckung ist breit, und fast alle herkömmlichen Risiken sind durch steuerfinanzierte Beihilfen (für Alter, Invalidität und Hinterbliebene sowie für Familien) und beitragsabhängige Programme für versicherte Arbeitnehmer (Krankheit und Mutterschaft, Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie Arbeitslosigkeit) abgedeckt. Die Regierung befasst sich derzeit mit einem Grünbuch über eine umfassende soziale Sicherheit, mit der die Sozialversicherungsdeckung ausgeweitet und eine öffentliche Kasse für soziale Sicherheit (Landeskasse für soziale Sicherheit) eingeführt werden sollen. Im Juni 2023 verabschiedete das Parlament das Landesgesetz für Krankenversicherung, das allen Bürgerinnen und Bürgern unabhängig von ihren finanziellen Mitteln Zugang zu denselben grundlegenden Gesundheitsleistungen bieten soll.