Bei der Definition von Investment-Governance werden als erstes die Kernelemente eines Systems der Entscheidungsfindung und Aufsicht für die Anlage von Vermögenswerten eines Fonds beschrieben. Im Anschluss daran wird die Definition von Investment-Governance mit einem direkten Bezug auf die Anlageverwaltung von Reservefonds von Trägern der sozialen Sicherheit fortgeführt.
In Bezug auf Investitionen des Trägers beschreibt „Governance“ das System der Entscheidungsfindung und Aufsicht, das genutzt wird, um die Vermögenswerte eines Fonds anzulegen. Die Verantwortung für diese Rolle liegt bei Treuhändern wie dem Verwaltungsrat und der Geschäftsführung, die sich mit übergeordneten Entscheidungen (für die sie gewöhnlich die Verantwortung übernehmen) und detaillierteren Umsetzungsmaßnahmen (die sie eher an andere delegieren und bei denen es zu ihrer Aufgabe wird, diese zu überwachen) befassen müssen. Bei Investment-Governance geht es, kurz gesagt, um die Nutzung von Fähigkeiten, Ressourcen und Prozessen mit dem Ziel der Wertschöpfung für den jeweiligen Träger der sozialen Sicherheit.
Die Menge an Fachwissen, finanziellen Ressourcen, Zeit (sowohl intern als auch extern) und interner operativer Effizienz, die eine Organisation für den Governance-Prozess aufwenden kann, ist begrenzt. Die Menge dieser Elemente, die für diesen Prozess aufgewendet werden kann, wird als „Governance-Budget“ bezeichnet. Der Umfang des Governance-Budgets hat Einfluss auf das erwartete Governance-Ergebnis. Eine bestimmte Größe des Governance-Budgets sollte mit einem angemessenen Anlagestil und einer angemessenen Anlagestrategie übereinstimmen. Abhängig davon, ob mehr oder weniger Fähigkeiten, Ressourcen und Prozesse verfügbar gemacht werden, kann sich das Governance-Budget im Laufe der Zeit ändern, was mit Konsequenzen für das wahrscheinliche Anlageergebnis verbunden ist.
In seiner einfachsten Form ist ein angemessenes Governance-Budget eine Voraussetzung für eine wirksame Anlagestrategie und berücksichtigt die Einschränkungen, die durch die Fondsgröße und die gebundenen Ressourcen einschließlich Zeit und Sachverstand vorgegeben sind. Allgemeiner ausgedrückt, ist das Governance-Budget auch ein strategisches Instrument basierend auf den Bestrebungen einer anlegenden Institution eines Trägers im Hinblick auf ihre langfristigen Anlagezwecke und -ziele.
Die Governance stellt eine größere Herausforderung dar als die Beschäftigung mit den allgemeinen Fragen, vor denen alle modernen Organisationen stehen. Träger der sozialen Sicherheit sind in globalen Finanzmärkten tätig, in denen das Management von Risiken und Unsicherheiten zentrale Aspekte langfristiger Wertschöpfung sind. Abhängig von Risikobudget und Governance-Budget kann Governance Wert schaffen und Wert vernichten. Dies hat zwei Konsequenzen: Erstens ist das Eingehen von Risiken vor dem Hintergrund richtig definierter Ziele ein wesentliches Element jeder gut geführten Finanzinstitution; zweitens hängt die Frage, inwieweit die Risikoübernahme eine bewusste und planvolle Aktivität ist, vom jeweiligen, zugeteilten Governance-Budget ab. Schlecht geführte Einheiten nehmen die Risikoplanung selten ernst genug, weswegen sie am Governance-Budget sparen und es fälschlicherweise als einen Kostenfaktor behandeln, der den Nettoertrag einschränkt.
Die vorliegenden Anlagerleitlinien decken alle Aspekte in Bezug auf den schrittweisen Governance-Prozess ab, die von einem Träger berücksichtigt werden müssen. Der Anlageprozess lässt sich jedoch in vier zentrale, große Abschnitte unterteilen. Diese vier Abschnitte, die nachstehend kurz zusammengefasst und in den einzelnen Leitlinien detailliert beschrieben werden, befassen sich mit der Prüfung der Anlagestrategie, der Zusammenstellung eines geeigneten Portfolios auf der Grundlage dieser Strategie, der Umsetzung der Strategie sowie der Überwachung des Prozesses und der Berichterstattung darüber.
Es ist gut dokumentiert, dass die richtige strategische Anlageverteilung der Vermögenswerte (Asset Allocation) durch einen Anleger den Großteil der Rendite ausmacht. Deshalb ist es ein wesentlicher Teil des Anlageprozesses, dass diese strategische Asset Allocation umsichtig strukturiert und klar definiert wird. Die strategische Asset Allocation ist langfristig ausgerichtet und sollte die Anlageüberzeugungen, den Anlagezweck, die Anlageziele, die Kapitaldeckungspolitik und die Risikotoleranz der anlegenden Institution des Trägers widerspiegeln. Zudem sollte das Risikobudget, die Renditeziele, die Verbindlichkeiten und die Frage, inwieweit dies alles durch nicht finanzielle Faktoren beeinflusst oder beschränkt werden kann, berücksichtigt werden. Die Risikotoleranz sollte die mögliche Korrelation zwischen dem finanziellen Wohlergehen des letztendlichen Kostenträgers (Regierung/Steuerzahler) und den Ereignissen, die eine Verringerung der Vermögenswerte des Trägers der sozialen Sicherheit verursachen könnten, umfassen. Zusätzlich zur Gestaltung einer strategischen Asset Allocation kann eine Prüfung der Anlagestrategie eine Asset-Liability-Modellierung (in der beispielsweise die Verbindlichkeiten inflationsindexiert sein können), Stresstests in zentralen Risikobereichen zur Ermittlung der wichtigsten Risikoexpositionen sowie Überlegungen zur Diversifizierung und Absicherung ausgewählter Risiken umfassen.
Die Portfolio-Zusammenstellung ist der erste Schritt bei der Durchführung einer strategischen Asset Allocation einer anlegenden Institution. Das Ziel der Portfolio-Zusammenstellung ist die effiziente Umsetzung der Ziele der strategischen Asset Allocation in Anlageentscheidungen. Dieser Prozess umfasst die Berücksichtigung des Anlagezwecks, der Anlageüberzeugungen, des Governance-Budgets, der Zielvorgabe für die Rendite und des zugehörigen Risikobudgets, verfügbarer Anlagemöglichkeiten und der Liquiditätsanforderungen. Unter Nutzung von Rahmenbedingungen wie Anlagekategorie, geografische Region, Risikoprämien und möglicherweise themengebundene Anlagen sollte das Portfolio ausreichend diversifiziert werden. Um die erwünschten Rendite- und Risikoziele zu erreichen, sollten für die Zusammenstellung des Portfolios die effizientesten, verfügbaren Anlagemöglichkeiten genutzt werden. Risiken sollten ermittelt und Analysen zu der Frage durchgeführt werden, wie Risiken kontrolliert (oder abgesichert) werden können, von denen angenommen wird, dass sie „nicht belohnt“ werden. Liquiditätserwägungen und das Governance-Budget sollten bei der Entscheidung, ob die Nutzung von Derivaten ein geeigneter Ansatz zum Risikomanagement ist, berücksichtigt werden. Im Rahmen der Portfolio-Zusammenstellung sollten „außerordentlich hohe“ oder „in Extremszenarien auftretende“ Risiken, die der Verwaltungsrat bei der Festlegung der Anlagestrategie als relevant eingestuft hat, bewertet werden. Die Portfolio-Zusammenstellung kann dynamisch gestaltet werden, indem die Asset Allocation vor dem Hintergrund sich verändernder Marktbedingungen neu geprüft wird. Klar definierte und kommunizierte Anlageüberzeugungen oder Arbeitsannahmen über die Funktionsweise der Anlagewelt können die Effizienz von Entscheidungen hinsichtlich der Portfolio-Zusammenstellung steigern.
Die Umsetzung betrifft die Anwendung der bei der Portfolio-Zusammenstellung getroffenen Anlageentscheidungen durch Auswahl konkreter Anlagen. Die anlegende Institution des Trägers sollte bei der Entscheidung, ob die Anlageverwaltung durch eine interne Anlageabteilung, durch die Beauftragung externer Fondsmanager oder in Zusammenarbeit mit einem externen Anlageberater erfolgen soll, ihren Sachverstand und ihre Governance-Kapazität berücksichtigen. Wenn aktive externe Fondsmanager ausgewählt werden sollen, sollte die anlegende Institution über die Ressourcen, den Sachverstand und das Governance-Budget verfügen, um in angemessener Weise die nach festgelegten Kriterien „besten“ Anlageverwalter zu suchen, auszuwählen und zu überwachen. Sie kann aber auch einen externen Anlageberater ernennen, der über die benötigte Kompetenz für diese Aufgabe verfügt. Bei der Umsetzung sollte auch auf die Auswahl von Anlagen mit maximaler Effizienz Wert gelegt werden. Dies umfasst, bei der Portfolio-Zusammenstellung das Verhältnis von Wert zu Kosten für jede ausgewählte Anlage zu bewerten. „Wert“ spiegelt wider, inwieweit das Anlageziel erreicht wird. Als „Kosten“ werden häufig die Gebühren des Anlageverwalters ausgewiesen, die das Gesamtanlageergebnis beträchtlich beeinträchtigen können. Regelungen für die Verwahrung und die Übergabe von Vermögenswerten sind ebenfalls wichtige Überlegungen bei der Umsetzung der Anlagestrategie.
Die regelmäßige Messung und Überwachung zentraler Risiken sind wichtig, um die anlegende Institution des Trägers zu befähigen, zeitgerechte und fundierte Entscheidungen zu treffen, die letztlich eine effizientere Anlage seiner Vermögenswerte ermöglichen. Der Verwaltungsrat und die Geschäftsführung sollten über die wichtigsten Kennzahlen wie die Gesamtverteilung der Vermögenswerte im Verhältnis zu strategischen Allokationen, das Ergebnis und die Risiken des Gesamtportfolios und der damit befassten Anlageverwalter sowie qualitative Einschätzungen zu externen Fondsmanager, globalen Märkten und der Wirtschaft verfügen.
Die Fähigkeit der anlegenden Institution zur dynamischen Anwendung der Anlagestrategie hängt davon ab, dass sie über eine robuste Methode zur Überwachung von Fortschritten im Verhältnis zur Langzeitstrategie und zu den Portfolio-Risiken verfügt. Auch wenn die Anlagestrategie gewöhnlich langfristig festgelegt wird, kann es Zeiten geben, in denen dynamische oder taktische Allokationen vorgenommen werden müssen, um aktuellen Marktchancen oder -gefahren Rechnung zu tragen.
Die vorliegenden Anlageleitlinien berücksichtigen die konkrete Problematik der Verwaltung von Reservefonds von Trägern der sozialen Sicherheit. Sie spiegeln den Umstand wieder, dass sich die Ziele der Anlage dieser Fonds von den Zielen der Anlage von Mitteln der Zusatzvorsorge (oft bezeichnet als Vorsorge der zweiten Säule) im Allgemeinen – und häufig sehr deutlich – voneinander unterscheiden. Viele der Prinzipien guter Investment-Governance wie angemessene Strukturen, Entscheidungsprozesse, externe Fachprüfung, Berücksichtigung von Risiken, Berichterstattung usw., gelten jedoch sowohl für Reservefonds der sozialen Sicherheit als auch für Mittel der Zusatzvorsorge.
Die vorliegenden Leitlinien spiegeln jedoch speziell die Unterschiede zwischen der Bereitstellung von sozialer Sicherheit und anderen Zusatzvorsorgeformen wider, die Auswirkungen auf Governance-Prozesse und Strukturen haben. Die wichtigsten Unterschiede sind:
- Die Kapitaldeckung und Finanzierung von Leistungen. Während Systeme der zweiten Säule normalerweise eine vollständige Kapitaldeckung anstreben müssen (der Istwert der Verbindlichkeiten also vollständig durch Vermögenswerte abgedeckt ist), gibt es bei Reservefonds der sozialen Sicherheit häufig andere Anlageziele. Darin spiegelt sich wider, dass solche Fonds oft aus anderen Gründen als zur Deckung von Leistungen (beispielsweise zur Glättung zukünftiger Cashflow-Anforderungen) eingerichtet werden, und der Staat in vielen Fällen die Rolle einer letzten Refinanzierungsinstanz für die soziale Sicherheit wahrnimmt. Deshalb ist die Mehrzahl der Systeme der sozialen Sicherheit im Allgemeinen nur partiell kapitalgedeckt. Dieser Umstand hat Folgen für die Anlageauswahl und kann bei Reservefonds aufgrund des geringeren Umfangs an gehaltenen Vermögenswerten zu größeren Cashflow-Beschränkungen führen. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sich die Kapitaldeckungsziele bei Reservefonds unterscheiden; sie können sich auf die Fähigkeit konzentrieren, Cashflow-Anforderungen zu erfüllen (beispielsweise kann vorgeschrieben sein, dass der Fonds Vermögenswerte in einem Umfang von mindestens dem Gegenwert eines bestimmten Mehrfachen der monatlichen Leistungsauszahlungen halten muss) oder einfach „tragfähige Cashflows“ zu gewährleisten.
- Es ist wahrscheinlich, dass sich das Anlagereglement unterscheidet. Wenngleich solche Vorschriften und Beschränkungen oberflächlich weniger streng scheinen mögen als bei Systemen der zweiten Säule (beispielsweise können Anlagen in bestimmte Anlagekategorien weniger stark beschränkt sein), können Reservefonds der sozialen Sicherheit auch größerem politischen Einfluss auf die Anlage von Vermögenswerten ausgesetzt sein (siehe unten). Reservefonds der sozialen Sicherheit kann zudem vorgeschrieben sein, in bestimmte Formen von Vermögenswerten zu investieren und sie müssen möglicherweise mehr Direktanlagen in privaten Unternehmen oder Unternehmen in Staatsbesitz oder in Infrastrukturprojekten haben. In solchen Fällen ist es vielleicht nicht einfach, den Anlagewert (und die damit verbundenen Risiken) zu verifizieren, was zu Schwierigkeiten bei der Beurteilung des Wertes der Vermögenswerte und der Risiken führt. Wenn die Anlagebeschränkungen weniger streng als bei der nichtstaatlichen Zusatzvorsorge sind, sollte diese größere Anlagefreiheit in Verbindung mit potenziell größeren Cashflow-Zwängen (aufgrund einer höheren Cashflow-Anforderung als Prozentanteil der gehaltenen Vermögenswerte) mit Governance-Fähigkeiten einhergehen, die entsprechend mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet sind und, unter Berücksichtigung der Verpflichtungen des Trägers, anspruchsvolle und komplexe Anlagedispositionen verwalten können.
- Übergeordnete Ziele und externe Beschränkungen. Wenngleich Reservefonds oft eingerichtet werden, um den Finanzbedarf zu glätten und Vorsorge für zukünftige demografische Veränderungen zu treffen, können sie von externen Akteuren als wichtige strategische Anleger eingestuft werden. Dies kann dazu führen, dass ihnen bestimmte Anlageentscheidungen oder zusätzliche Ziele (beispielsweise die Bereitstellung von Mitteln für bestimmte Branchen oder der Ankauf von Staatsanleihen) aufgezwungen werden. In solchen Situationen ist die Aufgabe der Anlagefunktion, geeignete Governance-Verfahren zu etablieren und angemessene Reaktionen auf solche Situationen zu bieten, von besonderer Bedeutung für die Sicherstellung, dass der Reservefonds seine Verpflichtungen in Bezug auf die durch die soziale Sicherheit gedeckten Personengruppen erfüllt.
- Die Anforderungen an die Berichterstattung können sich von denjenigen der nichtstaatlichen Zusatzvorsorge unterscheiden. Wenngleich die Anforderungen für Zusatzpläne strenger sein können, haben Reservefonds der sozialen Sicherheit Rechenschaftspflichten gegenüber der Öffentlichkeit und der Politik, die die Qualität, die Inhalte und die Häufigkeit der Berichterstattung beeinflussen.