Amerika

Veränderungen der Verwaltungspraxis – Amerika

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Veränderungen der Verwaltungspraxis – Amerika

Die soziale Sicherheit ist in Amerika wie auch in der übrigen Welt ein Instrument, das der Öffentlichkeit wirksam die Anwesenheit des Staates vermittelt. Die Qualität der Erfahrungen mit der sozialen Sicherheit ist eine wichtige Messlatte für die öffentliche Zufriedenheit mit der Regierung und mit der politischen Führung eines Landes. Die Verwaltungsfachleute haben daher guten Grund, sich für Exzellenz in der Verwaltung der Programme der sozialen Sicherheit einzusetzen.

Die Institutionen der sozialen Sicherheit Amerikas haben eine innovative Verwaltungspraxis eingeführt, um weiterhin vor den Herausforderungen zu bestehen und nötigenfalls Verbesserungen einzuführen. In verschiedenen Methoden und Ansätzen werden intelligente und zielgerichtete Strategien mit hoch kompetenten Mitarbeitenden und Geschäftsprozessen kombiniert, die durch neue Technologien verbessert wurden. Zum Portfolio zukunftsorientierter Verwaltungsfachleute gehören strategische Pläne auf der Grundlage eines soliden Risikomanagements. Zudem werden systematisch internationale Standards, Rahmen und Normen angewendet.

In den vergangenen Jahren ist die Region Amerika in eine neue Ära der Dienstleistungserbringung eingetreten, indem sie menschliche Kompetenzen und Fähigkeiten mit digitalen Technologien kombiniert. Die soziale Sicherheit Amerikas hat sich von einer manuellen, präsenzgebundenen und papierbasierten Arbeitsweise hin zu einer schnellen, flexiblen und nutzerzentrierten Verfügbarkeit von Online- und mobilen Dienstleistungen gewandelt. Durch die Umstellung auf digitale Technologien konnte das Spektrum der Kanäle vergrößert werden, über die die Bürgerinnen und Bürger Zugang zu den Leistungen und Dienstleistungen haben. Durch Investitionen in die Kapazitäten und Fähigkeiten von Mitarbeitenden konnten ihre digitalen Kompetenzen verbessert werden. Die außerordentliche Nachfrage aufgrund der Coronapandemie hat deutlich gemacht, welche Vorteile eine digital kompetente Belegschaft mit den entsprechenden digitalen Technologien bringt: So konnten schnell neue Lösungen entwickelt und umgesetzt werden, um die Bedürfnisse der Menschen zu decken.

Die Region Amerika gilt weltweit als Vorreiterin im Einsatz von Big Data, künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen sowie von integrierten Datenbanken, die interoperable Prozesse erlauben. Die Region ist dabei, das Potenzial dieser Technologien zu erkunden, um unter anderem auch schnell beweissichere Informationen bereitzustellen und so Fehler, Hinterziehung und Betrug in der sozialen Sicherheit zu bekämpfen.

Wichtigste Botschaften

  • Innovationen in der Verwaltung von Institutionen der sozialen Sicherheit verlangen eine Stärkung der Governancekapazitäten, insbesondere der strategischen Planung, des Performancemanagements und des Risikomanagements.
  • Durch die Entwicklung digitaler Kanäle erhalten die Nutzer ein breiteres Angebot von Dienstleistungen hoher Qualität. Damit verbessern sich die Kapazitäten der Institution sowie das Verständnis der Nutzerbedürfnisse und die Nutzung mobiler Technologien.
  • In Krisenzeiten ist es entscheidend, dass der Dienstleistungsbetrieb der sozialen Sicherheit aufrechterhalten werden kann. Dabei zählen vor allem die institutionellen Kapazitäten und die Zusammenarbeit der Institutionen, kombiniert mit menschlicher Erfindungsgabe.
  • Für die Durchsetzung der Beitragspflicht durch die Bekämpfung von Fehlern, Hinterziehung und Betrug braucht es leistungsfähige Erkennungssysteme. Hilfreich sind Datenbanken guter Qualität und klare gesetzliche Bestimmungen, in denen die formellen Arbeitsverhältnisse und die Beitragspflichten der Arbeitgeber klar definiert sind.
  • Die institutionelle Transformation hin zu administrativer Exzellenz beruht auf drei Governancestrategien: standardmäßig digital, standardmäßig kollaborativ und datenbasierte Verwaltung. Diese drei Strategien ermöglichen eine intelligentere, schnellere, bessere, transparentere und reaktivere soziale Sicherheit.
  • Eine datenbasierte Verwaltung bedeutet, dass Daten hoher Qualität, Analyseverfahren und künstliche Intelligenz eingesetzt werden, um die Prozesse und die Entscheidungsfindung zu verbessern. Ein intelligenter Einsatz der in den umfangreichen Datenbanken der sozialen Sicherheit gesammelten Informationen versetzt die Institutionen der sozialen Sicherheit in die Lage, ihre Effizienz zu erhöhen, die Dienstleistungen für die Nutzer zu verbessern und Hinterziehung und Betrug wirksam zu bekämpfen. Damit lassen sich aber auch Präventionsmaßnahmen und Strategien in Bereichen wie Gesundheits- und Sozialschutz für gefährdete Bevölkerungsteile entwickeln.
  • Der intensive Einsatz modernster IKT ist ein Erfolgsfaktor, der jedoch auch Risiken und Herausforderungen birgt. Für die Einführung neuer Technologien und einer digitalen Transformation braucht es genau ausgearbeitete strategische Pläne, die durch Risikomanagementpläne entsprechend den Zielen der Institution gestützt werden. Die strategische Einführung neuer Technologien lässt sich nicht ohne eine gleichzeitige Entwicklung und Steuerung des Personals bewerkstelligen. Die Führungsebene der Institution muss dabei die Richtung für einen intelligenteren Einsatz der personellen Ressourcen mithilfe technologischer Innovationen vorgeben.

Fakten & Trends

E-government development Index

Figure 1

Digital inclusion development

Figure 2

Access to online services: Mobile and home‑based connectivity

Figures 3 and 4

Digital inclusion

Access to online services

Mobile connectivity – Internet access

Verwirklichung von administrativer Exzellenz – Stärkung der strategischen Planung und des Risikomanagements

Die Institutionen der sozialen Sicherheit Amerikas bauen ihre Kapazitäten für die Erfüllung ihres Mandats der sozialen Sicherheit aus, indem sie auf institutioneller Ebene Instrumente für die strategische Planung und das Risikomanagement einführen. Diese Entwicklungen beruhen auf unterschiedlichen internationalen Normen und Rahmen, wie Beiträgen zum Qualitätspreis Malcolm Baldridge National Quality Award, Empfehlungen der OECD und den Leitlinien der IVSS über Good Governance (IVSS, 2019a), in denen unter anderem darauf hingewiesen wird, dass strategische Planung und Risikomanagement zwei Seiten derselben Medaille sind.

Die Sozialversicherungskasse von Costa Rica (Caja Costarricense de Seguro Social – CCSS) hat ihre Risikokultur verbessert, indem sie die Verbindungen zwischen der strategischen Planung und dem Risikomanagementrahmen verstärkt hat, unter anderem durch einen detaillierten Risikokatalog und Risikoindikatoren. Sie führt jedes Jahr eine Beurteilung ihrer strategischen Planung durch, um sicherzustellen, dass die Leistungsfähigkeit der Institution den festgelegten strategischen Zielen und Meilensteinen entspricht. Diese Art von Beurteilung wird in der Region immer mehr angewendet, um die Leistungsfähigkeit der Institutionen kontinuierlich zu verbessern.

Die Derrama Magisterial in Peru führt ihre Entwicklung einer Good-Governance-Kultur fort und setzt dabei auf ein administratives Exzellenzmodell. Sie hat jüngst neue Governancestrukturen eingeführt, darunter einen Ausschuss für Good Governance und eine Stelle für die Einhaltung der Bestimmungen, um sicherzustellen, dass die Governancegrundsätze und die von der Institution angestrebte gute Praxis befolgt werden.

Die Anstalt für soziale Sicherheit Guatemalas (Instituto Guatemalteco de Seguridad Social – IGSS) führt ihre jüngsten Erfolge auf ihren strategischen Fünfjahresplan zurück. Dank klarer Ziele hinsichtlich Deckungsausweitung, finanzieller Solidität, Dienstleistungsqualität, Personalentwicklung und Förderung von Transparenz ist die Institution in der Lage, ihre Anstrengungen für mehr Effizienz und Wirksamkeit zu konsolidieren und sich systematisch darauf auszurichten.

In ähnlicher Weise hat die Sozialversicherungsanstalt Mexikos (Instituto Mexicano del Seguro Social – IMSS) ein Modell entwickelt, um die Qualität und administrative Effizienz auf institutioneller Ebene zu verbessern. Das Modell beruht auf internationalen Standards wie den Leitlinien der IVSS zur Dienstleistungsqualität (Leitlinie 25. Einbindung von Innovationen und Veränderungsmanagement, sowie Leitlinie 20. Erfassung und Kontrolle der Kundenzufriedenheit) (IVSS, 2019b). Das Modell enthält Ziele zur Verbesserung der Governance und Dienstleistungsqualität und zur Gestaltung eines Arbeitsumfelds, das auf ständige Verbesserungen und auf höhere Leistungsfähigkeit ausgerichtet ist.

Wichtig ist der Hinweis darauf, dass es auch die umfassenden Auswirkungen der Coronakrise nicht geschafft haben, Good Governance und die administrative Exzellenz der Institutionen der sozialen Sicherheit Amerikas nachhaltig zu beeinträchtigen. Ganz im Gegenteil: Die Institutionen haben ihr entsprechendes Potenzial genutzt, um die Herausforderungen der Pandemie zu bewältigen.

Dienstleistungen erbringen, auf öffentliche Erwartungen reagieren

Die Erbringung von Dienstleistungen hoher Qualität war wohl nie so entscheidend wie in dieser Zeit der Krise. Um den öffentlichen Erwartungen besser zu genügen, erkunden die Verwaltungen der sozialen Sicherheit derzeit neue Wege, wie sie ihre Dienstleistungsqualität verbessern und sich stärker nutzerorientiert ausrichten können. Außerdem waren die Institutionen dank ihrer bereits vor Ausbruch von COVID-19 vorhandenen Systeme und Infrastrukturen in der Lage, mit bemerkenswerter Schnelligkeit und Wirksamkeit auf die Pandemie zu reagieren.

Vor der Pandemie erwiesen sich vor allem zwei allgemeine Strategien als hilfreich, um die Region auf die bevorstehende Krise vorzubereiten. Viele Institutionen hatten damit begonnen, die Fähigkeiten ihres Personals durch neue Technologien zu ergänzen und ihre Servicearchitektur umzubauen.

Entwicklung digitaler Kanäle – Optimierung menschlicher Fähigkeiten und digitaler Technologien

Die Coronapandemie hat deutlich gezeigt, dass Technologien die Geschäftstätigkeit enorm beschleunigen können und dass sie ein großes Potenzial bergen, Menschen miteinander in Verbindung zu bringen und die Bindungen zu erhalten. Trotz der Lockdowns, der stillstehenden Transportmittel, der um ihr Überleben kämpfenden Unternehmen und der allgemeinen Ansteckungsängste konnte dank einer starken Führung, erfinderischen Ideen des Personals und des geschickten Einsatzes neuer Technologien die Erbringung der Leistungen und Dienstleistungen der sozialen Sicherheit aufrechterhalten werden.

In der Region hatte man zum Glück bereits vor der Pandemie damit begonnen, auf digitale Technologien umzustellen, die einen Online-Zugang zu Leistungen und Dienstleistungen ermöglichen. Bis vor Kurzem war es üblich und vorgeschrieben, dass die Menschen persönlich in den Institutionen vorstellig wurden und papierbasierte Formulare einreichten, die dann manuell bearbeitet wurden. Dies führte oft zu großen Verzögerungen und einem erhöhten Ressourcenaufwand – eine teure Angelegenheit sowohl für die Menschen als auch für die Institutionen. Für das Personal einer Institution war es sehr zeitaufwendig, Mitglieder am Schalter zu bedienen. Für die Institutionen bedeutete es einen hohen Kostenaufwand, alle Papierdokumente archivieren zu müssen. Die manuelle Bearbeitung war sehr fehleranfällig und auch anfällig für Missbrauch.

Diese Arbeitsweise war also eindeutig nicht zufriedenstellend. Die Verwaltungsfachleute der sozialen Sicherheit begannen deshalb, die Kapazitäten ihres Personals und der digitalen Technologien zu nutzen und so eine Transformation der Dienstleistungserbringung der sozialen Sicherheit in der Region einzuleiten. Verschiedene Institutionen befinden sich mittlerweile auf einem guten Weg hin zu einer vollständigen Transformation der Geschäfts- und Servicearchitektur der sozialen Sicherheit. Diejenigen, die sich noch in den Anfängen der Umstellung befanden, sahen sich bei Ausbruch der Coronakrise gezwungen, die Umsetzung ihrer Pläne zu beschleunigen.

  1. Von physischen Dienstleistungen zu Online-Dienstleistungen: Die soziale Sicherheit in der Region befand sich bereits vor Ausbruch der Pandemie in einer Transformation von einer physischen Dienstleistungserbringung hin zu Online-Angeboten, Chatbots und mobilen Anwendungen. Nach der frühen Einführung von Online-Dienstleistungen und mobilen Dienstleistungen waren die Menschen darauf vorbereitet, als es wegen der Pandemie zu Kontaktbeschränkungen kam, sofort Online-Plattformen und mobile Anwendungen zu nutzen und so ihren Zugang zu sozialer Sicherheit sicherzustellen. Nachfolgend werden einige Beispiele für innovative Dienstleistungen in der Region erläutert.
    • In Argentinien hat die Transformation der Nationalen Verwaltung für soziale Sicherheit (Administración Nacional de la Seguridad Social – ANSES) eine elektronische Antragseinreichung und die Nutzung von Online-Hilfsplattformen ermöglicht. Formulare können nun über die Bundesverwaltung der Staatseinnahmen (Administración Federal de Ingresos Públicos) digital eingereicht werden. Die Mitglieder des Föderalen Sozialversicherungsrats (Consejo Federal de Previsión Social – COFEPRES) können für den Einzug der Beiträge und die Auszahlung ihrer Renten nun Online-Dienstleistungen nutzen. Zu den Online-Dienstleistungen des Aufsichtsamts für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (Superintendencia de Riesgos del Trabajo – SRT) gehört auch Julia Lanteri, ein Chatbot, der Fragen von Mitgliedern beantwortet.
    • In Brasilien bietet die Website Meu INSS der Landesanstalt für soziale Sicherheit (Instituto Nacional do Seguro Social – INSS) über 90 Dienstleistungen von der Anmeldung bis hin zur Leistungsauszahlung an.
    • In Kolumbien zahlt die Kolumbianische Rentenverwaltung (Administradora Colombiana de Pensiones – ColPensiones) ihre Renten über Online-Kanäle aus, und sie hat jüngst einen Online-Beitragsdienst für Handwerker, Musiker und informelle Arbeitnehmer eingeführt.
    • Die Sozialversicherungskasse von Costa Rica verfügt über zwei mobile Anwendungen, die einen Zugriff auf Gesundheitsakten und -dienstleistungen und eine bessere Überwachung und Fallbearbeitung erlauben.
    • In Ecuador ermöglichen die Telekonsultationsdienstleistungen der Ecuadorianischen Anstalt für soziale Sicherheit (Instituto Ecuatoriano de Seguridad Social – IESS) Online-Sprechstunden für gefährdete und immobile Patienten, was für diese vieles vereinfacht.

    • Die Anstalt für soziale Sicherheit Guatemalas hat ein elektronisches Instrument entwickelt, mit dem sich die Zeit für die Antragsbearbeitung für freiwillige Beiträge von zuvor durchschnittlich 13 Monaten auf einen Tag reduziert hat.
    • Die Sozialversicherungsanstalt Mexikos verlangt nur noch ein einmaliges persönliches Vorstelligwerden, und digitale, interoperable Prozesse erlauben eine beschleunigte Leistungsauszahlung. Ebenfalls in Mexiko konnte die Anstalt für soziale Sicherheit und Sozialdienste für Staatsbedienstete (Instituto de Seguridad y Servicios Sociales de los Trabajadores del Estado – ISSSTE) dank ihres Systems für die elektronische Antragseinreichung die Fairness und Transparenz der elektronischen randomisierten Zuteilung von Finanzhilfen erhöhen.
    • In Panama ist es über die Online-Umgebung des Sozialversicherungsfonds (Caja de Seguro Social – CSS) möglich, Leistungsanträge einzureichen und Leistungen ausbezahlt zu erhalten, und es gibt eine mobile Anwendung für den Zugang zu einer medizinischen Grundversorgung sowie einen Chatbot für die Fragen von Mitgliedern und die Nutzerbetreuung.
    • Die Derrama Magisterial in Peru verfügt ebenfalls über digitale Wege für den Beitragseinzug und die Leistungsauszahlung. Ebenfalls in Peru hat die EsSalud – Sozialversicherung für Gesundheit (EsSalud – Seguro Social de Salud) eine integrierte Online-Plattform mit dem Namen VIVA aufgeschaltet, über die ihre Mitglieder von fern auf Dienstleistungen zugreifen können, anstatt dass sie eine Dienststelle aufsuchen müssen.
    • In Uruguay setzte Uruguays katholischer Arbeiterkreis auf Gegenseitigkeit (Círculo Católico de Obreros del Uruguay Mutualista) Video-Konsultationen und soziale Medien ein, um während der Pandemie einen Echtzeitservice zu bieten. Ebenfalls in Uruguay entwickelte die Bank für Sozialversicherung (Banco de Previsión Social – BPS) einen intelligenten Chatbot und eine angewandte robotisierte Prozessautomatisierungstechnologie, um die Dienstleistungserbringung zu beschleunigen. Dank einer mobilen Anwendung können Rechnungsprüfer nun von fern auf Datenbanken zugreifen, um während ihres Einsatzes vor Ort mögliche Unregelmäßigkeiten zu erkennen.
  2. Investition in die Kompetenzen und Fähigkeiten der Mitarbeitenden: Durch Weiterbildungen für Mitarbeitende, ob im Präsenzformat oder online, können Kompetenzen entwickelt und Fähigkeiten aufgebaut werden. Die untenstehenden Beispiele zeigen, dass Weiterbildungen für Mitarbeitende zu den regelmäßigen Tätigkeiten der IVSS-Mitgliedsinstitutionen in der Region Amerika gehören. E-Learning-Kurse haben den zusätzlichen Vorteil, dass sie den Mitarbeitenden die Möglichkeit bieten, sich unabhängig und selbstständig weiterzubilden.
    • In Argentinien schult der Verein für Familienschutz auf Gegenseitigkeit (Asociación Mutual de Protección Familiar – AMPF) regelmäßig Pflegepersonen, Therapieassistenten und Studierende im Umgang mit Hilfsmitteln für ältere Menschen und Menschen mit Behinderung, damit diese mehr Unabhängigkeit und eine bessere Lebensqualität erreichen, die Aktivitäten des täglichen Lebens wie Essen, Ankleiden und Körperpflege bewältigen und ihre Mobilität, Arbeit und Freizeit besser gestalten können.
    • In Brasilien setzt die Initiative „Pfade des Lernens“ der Landesanstalt für soziale Sicherheit auf einen modularen Ansatz, der durch Hilfsmittel wie Spiele, Mindmaps, Podcasts und Mentorenprogramme unterstützt wird und auf verschiedene Mitarbeiterprofile, Bedürfnisse und Lernstile abgestimmt ist.
    • In Chile führt die Versicherung auf Gegenseitigkeit für Sicherheit (Mutual de Seguridad CChC) Weiterbildungen für das Personal im Bereich Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit durch. Dazu gibt es Online-Lernbereiche und Online-Foren mit Augmented-Reality-Anwendungen.
    • In Costa Rica hatte die Einführung einer einheitlichen digitalen Gesundheitsakte für die Automatisierung von Gesundheitsleistungen für die Mitglieder einen radikal neuen Einsatz von Technologien und Prozessen zur Folge. Um die Reaktionen der Mitarbeitenden auf die Veränderungen wie Widerstände, Ängste und Frustrationen zu bewältigen, stopfte die Sozialversicherungskasse von Costa Rica aktiv die Wissenslücken von Mitarbeitenden in Bezug auf den Einsatz von Technologien und neuen Prozessen, indem einflussreiche Persönlichkeiten aus der Institution eingebunden wurden, die gar keine höheren Vorgesetzten sein mussten, sondern lediglich in informellen Netzwerken über viel Einfluss verfügten.
    • Die Sozialversicherungsanstalt Mexikos betreibt Programme zur Erhöhung der Sensibilität des Personals und der Verbesserung der Möglichkeiten für die Betreuung schwangerer Frauen. Die Familienklinik der mexikanischen Anstalt für soziale Sicherheit und Sozialdienste für Staatsbedienstete bietet ihren Mitgliedern Online-Kurse für ein gesundes und aktives Alter an.
    • In Peru setzt das Personal der Derrama Magisterial ein Exzellenzmodell für die Verwaltung ein, um die eigenen Bedürfnisse, Stärken und Verbesserungsbereiche zu bestimmen und zu klassifizieren. Das Modell beruht auf sieben Kriterien: Führung, Strategie, Nutzer, Messung, Analyse und Wissensmanagement, Personal sowie Betrieb und Ergebnisse.
    • Uruguays katholischer Arbeiterkreis auf Gegenseitigkeit bietet für Pflegemitarbeitende in der Notfall- und Intensivversorgung regelmäßige Weiterbildungen an, um eine zeitnahe, mitfühlende und sichere Pflege, vor allem für Kinder mit kritischen Erkrankungen, sicherzustellen.

    Bei Ausbruch der Coronapandemie erwiesen sich vor allem die Online-Plattformen als wichtige Instrumente. Sie ermöglichten eine schnelle Informationsübermittlung für Mitarbeitende über neue Vorgaben in den Bereichen Gesundheit, Behandlung und Patientenversorgung. Die Webportale und Social-Media-Konten der Institutionen dienten als zuverlässige Quellen für öffentliche Informationen über Sicherheitsmaßnahmen sowie über praktische Fragen darüber, wie die Leistungen und Dienstleistungen der sozialen Sicherheit auch während der Pandemie weiterhin erbracht werden würden.

Transformation der Institutionen

Die Institutionen der sozialen Sicherheit der ganzen Region sind dabei, ihr Vorgehen und ihre Strategien neu zu bestimmen, um auf die vollkommen neuen und gestiegenen öffentlichen Erwartungen zu reagieren. Die Effizienzgewinne und Flexibilitäten eines menschlichen und zugleich digitalen Rahmens treiben nun die Transformation der Dienstleistungsinfrastrukturen voran. Sofortige oder einmalige Dienstleistungsverbesserungen gehören der Vergangenheit an. Nun gibt es mehrjährige Transformationsstrategien, die auf drei Governanceansätzen beruhen: standardmäßig digital, standardmäßig kollaborativ und datenbasierte Verwaltung. Damit ist eine intelligentere, schnellere, bessere, transparentere und reaktivere soziale Sicherheit möglich.

  1. Standardmäßig digital: Menschliche Kompetenzen kombiniert mit digitalen Technologien sind die Grundlage einer agileren und raffinierteren sozialen Sicherheit, die eine reibungslose, schnelle und sichere Erbringung von Leistungen und Dienstleistungen erlaubt, sogar in Krisenzeiten wie während der Coronapandemie. Online-Plattformen und mobile Plattformen, digitale Lösungen und modulare Anwendungen führen ein neues Dienstleistungszeitalter herbei.

    Durch die Straffung und Vereinfachung der Prozesse wird es einfacher, Protokolle für die Dienstleistungserbringung der sozialen Sicherheit zu entwickeln, zu standardisieren und gegebenenfalls auch zu automatisieren. In Argentinien digitalisierte die Bundesverwaltung der Staatseinnahmen (Administración Federal de Ingresos Públicos – AFIP) verschiedene papierbasierte Prozesse für ihre Mitglieder, während die uruguayische Renten- und Pensionskasse für das Bankwesen (Caja de Jubilaciones y Pensiones Bancarias – CJPB) vollkommen auf papierlosen Betrieb umgestellt hat, was für die Einhaltung der Homeoffice-Pflicht während der Coronapandemie ein entscheidender Vorteil war.
  2. Standardmäßig kollaborativ: Innovationen werden zwar oft mit individuellen Entdeckungen durch brillante Köpfe in Verbindung gebracht, aber neuste Studien haben gezeigt, dass Zusammenarbeit ein Weg zu mehr Innovationen sein kann. Dabei bringen sich mehrere Menschen über Abteilungsgrenzen hinweg zusammen ein. Das kanadische Ministerium für Beschäftigung und soziale Entwicklung (Employment and Social Development Canada – ESDC) hat diesen Weg eingeschlagen. Nach einem Pilotversuch 2017 durch einen immersiven Design-Thinking-Prozess, der Ideen von Mitarbeitenden, Nutzern und Partnern sammelte und diese in nutzerzentrierte Lösungen umwandelte, wurden neue Governancestrukturen definiert, die eine standardmäßig kollaborative Kultur am Arbeitsplatz ermöglichen. Dies war Teil eines mehrjährigen Transformationsprozesses für den Servicebereich, der unter anderem zur Schaffung eines Acceleration Hub führte, eines permanenten physischen Raums, in dem sowohl persönlich als auch virtuell zusammengearbeitet werden kann, um Dienstleistungsverbesserungen und Lösungen mit agilen und wiederholbaren Designmethoden zu entwerfen. Die Strategie besteht darin, eine engere Zusammenarbeit innerhalb der Institution und engere Beziehungen mit anderen Behörden durch gemeinsame Dienstleistungen aufzubauen, die für alle Kanadierinnen und Kanadier einen einfacheren und besseren öffentlichen Dienst bringt.
  3. Datenbasierte soziale Sicherheit: Immer mehr Institutionen sehen Daten als strategisches Instrument der sozialen Sicherheit und setzen sie in fortgeschrittenen Informationssystemen, in künstlicher Intelligenz und in Analyseverfahren ein.
    • In Brasilien sah sich die Landesanstalt für soziale Sicherheit lange Zeit mit Verlusten in Höhe von Milliarden brasilianischer Real (BRL) konfrontiert, die mit Zahlungen an bereits verstorbene Leistungsempfänger zu tun hatten. Dies war hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Standesämter nicht in der Lage waren, der Landesanstalt den Hinschied von Leistungsempfängern innerhalb nützlicher Frist mitzuteilen. Das Problem konnte durch ein intelligentes Datenmanagementsystem korrigiert werden, so dass die Landesanstalt nun Sterbeurkunden in Echtzeit ausstellen kann.
    • Zu Beginn der Pandemie stand die Sozialversicherungsanstalt Mexikos vor ernsthaften Schwierigkeiten, da Daten in nicht miteinander verbundenen Archiven aufbewahrt wurden. Um den Krisenbedarf zu bewältigen, ordnete sie prioritär die Schaffung einer zentralen Big-Data-Plattform, eines sogenannten „Data Lake“ an, der im Verlauf der nächsten Jahre durch einen Datengovernancerahmen eingerichtet werden soll. Dieser Rahmen soll wertvolle Informationen für die operative und strategische Entscheidungsfindung liefern. Die genannten Entwicklungen sind nicht nur abhängig von den Kapazitäten der Mitarbeitenden und den Technologien der Institution, sondern auch von der Interoperabilität für den Datenaustausch mit anderen Institutionen.
    • Die peruanische Institution EsSalud verfügt über eine Abteilung für Geschäfts- und Datenanalytik, die in Echtzeit kritische Informationen für die Entscheidungsfindung des Managements bereitstellt. Die Dienstleistungen verbesserten sich durch die Bereitstellung von Dashboard-Informationen zu Arztterminen, Hausbesuchen, Krankenhausbettenverfügbarkeit und längeren Krankenhausaufenthalten sowie durch die täglichen Berichte über die Medikamentenverschreibungen. Eine Anwendung mit einer Heatmap zur Überwachung der Ausbreitung von COVID-19 half der Institution, angemessen auf die Pandemie zu reagieren.
    • Die Sozialversicherungskasse von Costa Rica setzte zur Unterstützung ihres operativen und strategischen Managements der Gesundheitsdienstleistungen Analyseverfahren ein, verstärkt auch während der Pandemie. Dieser Ansatz ermöglichte die Bereitstellung wichtiger Informationen über Entwicklungen in den medizinischen Abteilungen der einzelnen Gesundheitseinrichtungen sowie über die Auswirkungen der Verschiebung medizinischer Eingriffe aufgrund der vorrangigen Behandlung von COVID-19-Fällen. Zu den wichtigen von der Sozialversicherungskasse genannten Faktoren zählt, dass man über Daten guter Qualität verfügen muss, um zuverlässige Analyseergebnisse zu erhalten. Die Datenanalyse-Kompetenzen des Personals und die Kultur einer datenbasierten Entscheidungsfindung innerhalb der Institution spielen dabei eine entscheidende Rolle. Auch ist die Unterstützung durch das Management erforderlich, um diese Ansätze weiterzuentwickeln, insbesondere, wenn dazu auch Veränderungen innerhalb der Institution erforderlich sind.
    • In Uruguay setzt die Bank für Sozialversicherung prädiktive Modelle zur Bestimmung von Fehlern, Hinterziehung und Betrug beim Beitragseinzug ein und wendet sie vor allem auf zwei Fälle an: für Inspektionen bei möglicherweise nichtkonformen Beitragszahlern sowie zur Aufdeckung betrügerischer Leistungsansprüche. Im ersten Bereich ist man seit 2013 tätig, wohingegen der zweite neueren Datums ist und sich vor allem bei der Prüfung von Anträgen im Zusammenhang mit Coronaleistungen als nützlich erwiesen hat.
    • In Kanada setzte das Ministerium für Beschäftigung und soziale Entwicklung Verfahren der künstlichen Intelligenz ein, um Leistungsempfänger des Garantierten Einkommenszuschusses (Guaranteed Income Supplement) zu ermitteln, eine Geldleistung für ältere Menschen mit geringen Einkommen. Die auf maschinellem Lernen beruhenden Modelle benötigten nur zwei Monate, um die über zehn Millionen Akten mit unstrukturierten Informationen zu durchforsten und die über 2 000 gefährdeten Kanadierinnen und Kanadier zu finden, die Anrecht auf den Zuschuss haben.

Gute Praxis

Brasilien: Automatisierung der Rentenleistungen: eine umfassende digitale Transformation

Die Landesanstalt für soziale Sicherheit (Instituto Nacional do Seguro Social – INSS) stand vor großen Herausforderungen, um den zunehmenden Bedarf an angebotenen Dienstleistungen zu befriedigen, die vorwiegend papierbasiert erfolgten und Personal der Institution benötigten, um persönlich auf die Bedürfnisse der Mitglieder einzugehen. Die Komplexität der kommunalen Strukturen hatte zersplitterte Prozesse zur Folge, die von getrennten Verwaltungsabteilungen bearbeitet wurden. Es gab kaum eine Integration der operativen Prozesse, was Schwierigkeiten bei der Antragstellung und bei der Leistungsbestimmung, getrennte Entscheidungen und eine fehlende Übersicht über die gesamte Leistungsbearbeitung zur Folge hatte. Die Knappheit des kommunalen Personals führte dabei zu zahlreichen Verzögerungen.

Das Projekt begann damit, ein Portal für den Kundendienst zu entwickeln, auf dem viele zuvor einzeln von Mitarbeitenden abgearbeitete Prozesse integriert und automatisiert wurden. Zu den Lösungen gehörten auch Gesetzesänderungen, die Überarbeitung interner Regeln und Bestimmungen und die Integration der Informationssysteme. Es wurden Prozessmodelle entwickelt, um eine einheitliche und integrierte Bearbeitung der Mitgliederinformationen sicherzustellen, die dann als Grundlage für automatisierte Entscheidungen hinsichtlich der Leistungsanträge dienten. Ende 2016 waren die Systeme in der Lage, Anträge ohne ein Vorstelligwerden der Versicherten zu gewähren oder abzulehnen. Diese Entscheidungen waren transparenter, die Betriebskosten sanken und die Qualität und Geschwindigkeit des Kundendiensts erhöhten sich enorm.

Kanada: Dienstleistungs-Umgestaltung: Design-Thinking und Acceleration Hub

Das kanadische Ministerium für Beschäftigung und soziale Entwicklung (Employment and Social Development Canada – ESDC) erbringt den Kanadierinnen und Kanadiern jährlich Leistungen in Gesamthöhe von 122 Milliarden Kanadischen Dollars (CAD) und nutzt dafür verschiedene Kanäle. Die Dienstleistungserbringungsstruktur funktioniert reibungslos, und dafür sind spezialisierte Teams in verschiedenen Zweigstellen in vier Provinzen und Territorien verantwortlich. Dies folgt jedoch nicht immer einem ganzheitlichen Ansatz, was die kollaborative und kreative Gestaltung und Innovation betrifft. Oft kommt es zu kurzfristigen und lokalen Verbesserungen, ohne dass die Nutzer oder Dienstleistungspartner dabei eingebunden würden.

Um dies zu beheben, leitete das ESDC Schritte ein und setzte eine ehrgeizige mehrjährige Transformationsstrategie innerhalb der gesamten Institution um, die die Dienstleistungserbringung verbessern sollte. Im Pilotversuch wurde ein immersiver Design-Thinking-Prozess mit agilen, wiederholbaren Gestaltungsmethoden getestet, um innovative Ideen von Mitarbeitenden, Nutzern und Partnern zu sammeln und diese in nutzerzentrierte Dienstleistungslösungen umzuwandeln. Der Pilotversuch war so erfolgreich, dass das Ministerium beschloss, einen physischem Raum, den Acceleration Hub, einzurichten, um das neue Vorgehen zu unterstützen.

Der Acceleration Hub ermöglicht eine persönliche und virtuelle Zusammenarbeit und Ideenfindung für verbesserte Dienstleistungslösungen, -konzepte und -ideen. Die Strategie hat die gesamte Organisations- und Governancestruktur des ESDC verändert und vollkommen neue Möglichkeiten geschaffen. Die Programme, Abteilungen und Provinzen arbeiten nun nicht mehr getrennt, sondern es gibt ein integriertes Servicemanagement. Die Arbeitsplatzkultur hat sich vollkommen geändert, so dass die Dienstleistungen nun auf den vier Säulen der modernen Dienstleistungserbringung beruhen: erstklassige Erbringung von Leistungen und Dienstleistungen; zielgenauer und einheitlicher Service in allen Abteilungen und Provinzen; sofortige Fallbearbeitung; garantierter Dienstleistungszugang über mehrere auswählbare digitale Kanäle.

Bibliografie

IVSS. 2019a. Leitlinien der IVSS über Good Governance. Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

IVSS. 2019b. Leitlinien der IVSS zur Dienstleistungsqualität. Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

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UNDESA. 2020. United Nations e-Government Survey 2020: Digital government in the decade of action for sustainable development. New York, NY, Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten der Vereinten Nationen.