Die seit 1948 veröffentlichte International Social Security Review ist die bedeutendste internationale Vierteljahreszeitschrift der Welt auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit.
Dieser Artikel analysiert das Rentensystem Kubas in den Jahren 2006 bis 2021 in Bezug auf seine finanzielle und versicherungsmathematische Tragfähigkeit und seine Auswirkungen auf die Bevölkerung. Er befasst sich mit der Bevölkerungsalterung, der massiven Senkung der Sozialausgaben seit 2009, dem Rentenfinanzierungsdefizit und den Auswirkungen der parametrischen Reform von 2008; des Weiteren mit dem Wertzerfall der Renten, den strukturellen Reformen, der Ausbreitung der Armut und den Sozialhilfekürzungen, den Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Renten sowie Prognosen für die künftige Rententragfähigkeit.
Senegal hat im Bestreben, eine universelle Krankenversicherungsdeckung zu erreichen, zwei departementale Krankenversicherungsniederlassungen eingerichtet und so seine Deckung für die ländliche Bevölkerung ausgebaut. Die Neuerung bedeutete unter anderem, dass die Krankenversicherung nicht mehr von Freiwilligen, sondern von Fachleuten verwaltet wird. Auch Jahre nach Abschluss des Projekts zu ihrer Einführung im Jahr 2017 arbeiten beide Krankenversicherungsniederlassungen weiterhin erfolgreich. Die vorliegende Untersuchung versucht anhand verschiedener Methoden, die Faktoren herauszuarbeiten, die zur Tragfähigkeit der beiden Krankenversicherungsniederlassungen beigetragen haben, und diskutiert die verbleibenden Herausforderungen. Als tragfähigkeitsförderliche Faktoren erwiesen sich Tätigkeiten zur Sicherung der finanziellen Stabilität und zur Förderung der Risikobereitschaft der Institution. Die Mobilisierung der Bevölkerung, die Beziehungen mit den Gesundheitsfachkräften und die staatliche Steuerung waren jedoch schwieriger umzusetzen. Die Herausforderungen liegen in der staatlichen Auszahlung von Beihilfen, der staatlichen Versorgung mit Arzneimitteln und der Zusammenarbeit mit dem allgemeinen Gesundheitssystem, der Aufrechterhaltung der Beitragszahlungen, der Digitalisierung der Verwaltung sowie im Bereich Betrug und Missbrauch.
Anhand einzigartiger Registerdaten wurde die Altersrente des obligatorischen Rentensystems in Finnland untersucht. Die Analyse beruht auf einer Modellierung der Renten anhand der Arbeitsbiografien und verschiedener unabhängiger Variablen. Eine adaptive LAD-lasso-Regression wurde angewendet, um abzuschätzen, wie sich Verdienst und sozioökonomische Faktoren auf die Altersrente auswirken, und um zu ermitteln, welche dieser Variablen in das Modell aufgenommen werden sollte. Das vorgeschlagene statistische Verfahren ergab bei asymmetrischen Ergebnisverteilungen robuste und weniger verzerrte Schätzungen der Regressionskoeffizienten und sehr viele Nullen bei einigen der erklärenden Variablen. Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig Einkünfte und eine Erwerbstätigkeit im späteren Berufsleben für die endgültige Rentenhöhe sind, und sie machen deutlich, dass es Unterschiede in den Rentenhöhen verschiedener sozioökonomischer Gruppen gibt. Die Schlussfolgerung lautet, dass die adaptive LAD-lasso-Regression ein vielversprechendes statistisches Verfahren ist, das sich gut für die Untersuchung verschiedener Aspekte der Rentenwirtschaft eignet.
Dieser Artikel analysiert anhand von zweig- und länderübergreifenden Daten, ob und inwieweit die bestehenden Sozialschutzausgaben je nach Qualität der Institution und je nach den Präferenzen der Menschen variieren. Verwendet wurden Ausgabendaten, die aus der Datenbank des Internationalen Arbeitsamtes stammen. Sie decken 52 Länder mit geringen und mittleren Einkommen sowie 80 Länder mit geringen, mittleren und hohen Einkommen ab. Die Ergebnisse zeigen, dass für die Gruppe der Länder mit geringen und mittleren Einkommen beide Faktoren Auswirkungen haben. Dasselbe gilt auch für die Gruppe der Länder mit geringen, mittleren und hohen Einkommen. Diese Schätzungen sind auch bei unterschiedlichen Definitionen der abhängigen Variablen und bei unterschiedlichen Maßstäben für die Qualität einer Institution robust. Die Schlussfolgerung lautet, dass es sich lohnt, die Kapazität von Institutionen und Behörden zu stärken und die Präferenzen der Menschen für Sozialschutzmaßnahmen im Planungs- und Haushaltsprozess, wo die Entscheidungen über Sozialschutzprogramme gefällt und Ressourcen zugewiesen werden, mitzuberücksichtigen.
Anhand des Falls des ghanaischen LEAP-Leistungsprogramms wurde untersucht, wie Verwaltungsfachleute, Dienstleistungspersonal und Leistungsempfänger die Dilemmas der Programmumsetzung sehen und wie sie auf sie reagieren. Die Untersuchung konzentrierte sich auf die LEAP-Leistung für Betreuende von Kindern, deren Auszahlung an den Schulbesuch der Kinder, Gesundheitsuntersuchungen und Impfungen gekoppelt ist. Ein ethisches Dilemma besteht darin, ob eine Nichteinhaltung der Bestimmungen sanktioniert werden sollte, da dies die Betreuenden und ihre Kinder tiefer in Armut stoßen könnte. Zu den weiteren Dilemmas gehören die Fragen, wie administrative Ressourcen für die gezielte Ausrichtung auf Leistungsempfänger und für die Überwachung, die Sanktionierung und den Austritt von Leistungsempfängern zugewiesen werden sollten; wie die Ausgaben zwischen Geldleistungen und der Sicherstellung von Gesundheits- und Bildungsdienstleistungen ausreichender Qualität aufgeteilt werden sollten; ob das verfügbare Geld breit gestreut, aber sparsam eingesetzt werden sollte, damit Anreize für viele Betreuungspersonen entstehen, ihre Kinder zur Schule zu schicken und an den Gesundheitsuntersuchungen teilnehmen zu lassen, oder ob es gezielter eingesetzt werden müsste, um vor allem den Ärmsten zu helfen; und schließlich ob weniger Finanzmittel zu erwarten wären, wenn die Mindestleistung nicht eine bedingte Geldtransferleistung wäre. Es wird zudem diskutiert, ob es in anderen Ländern mit geringen und mittleren Einkommen und ähnlichen bedingten Geldtransferleistungen möglicherweise ähnliche Dilemmas gibt, und ob einige davon auch bei „aktiven“ Mindestleistungen in Ländern mit hohen Einkommen vorkommen.
Die Auswirkungen der Coronapandemie bedrohen die Funktionsfähigkeit des chilenischen Rentensystems mit festgelegten Beiträgen, da die Pandemie die Finanzgrundlage aushöhlt und das System politischen Risiken ausgesetzt hat. Aufgrund der Coronakrise wurden drei Runden von Notfallbezügen in Höhe von zehn Prozent der Rentenansparungen genehmigt (Stand April 2021). Die Verwendung von Rentenansparungen in wirtschaftlichen Krisenzeiten ist weder neu noch ungewöhnlich. Während der Großen Rezession zweigten verschiedene Länder Mittel- und Osteuropas Vermögenswerte aus Renten mit festgelegten Beiträgen ab, um die Haushaltsengpässe zu meistern. Da Chile vor dem Entwurf einer neuen Verfassung steht, wird rege über die Effizienz und Gerechtigkeit des Rentensystems diskutiert. Wie die politischen Reaktionen auf die Pandemie jedoch zeigen, ist das Rentensystem mit festgelegten Beiträgen seinem Versprechen, politische Risiken abzuwenden und die Abzweigung von Rentengeldern für andere Ausgaben zu verhindern, nicht gerecht geworden.
Der Mangel an Daten über die Gestaltung und Umsetzung von Sozialschutzprogrammen für Menschen mit Behinderung in Ländern mit geringen und mittleren Einkommen führt dazu, dass es wenig Anhaltspunkte dafür gibt, wie deren Wirkung verbessert werden könnte. Das Behindertenbeihilfen-Programm der Malediven ist eine nicht einkommensgeprüfte monatliche Geldtransferleistung für Menschen mit Behinderung. Anhand qualitativer Methoden wurde eine Prozessevaluation durchgeführt, um die Gestaltung und Umsetzung dieser Leistung zu prüfen und zu erfahren, wie wahrscheinlich es ist, dass die gesetzten Ziele erreicht werden. Das Programm weist große Stärken auf, darunter die breite Definition des Begriffs Behinderung. Gemäß unserer Evaluation könnte jedoch die Leistungserbringung durch klarere Anspruchsvoraussetzungen und durch einen Personalausbau zur Erhöhung der Reichweite des Programms verbessert werden. Die Konsistenz des Programmes nahm ab, weil es verschiedene Akteure unterschiedlich in die Praxis umsetzen und es an Standardprotokollen fehlt. Vor allem sank die Wahrscheinlichkeit des Erreichens der gesetzten Ziele, weil es keine Verbindungen zum System für medizinische Versorgung gibt, das technische Hilfen bereitstellt.
Bisherige Studien zum Schutz von Plattformarbeitnehmern in Spanien haben sich auf Fahrradkuriere konzentriert, die Mahlzeiten zu Kunden nach Hause liefern und deren Dienstleistungen über einige der bekanntesten Plattformen der sozialen und wirtschaftlichen Szene des Landes angeboten werden. Die meisten dieser Arbeitnehmer sind durch das System der sozialen Sicherheit für Selbstständige gedeckt. In einem Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 25. September 2020 wurde das Verhältnis zwischen Glovo und seinen Kurieren jedoch als Angestelltenverhältnis gewertet. Dieses Urteil hat die Perspektiven für digitale Plattformen verändert und dazu geführt, dass die spanische Regierung die Plattformarbeit in Spanien nun reguliert. Dennoch gelten die staatlichen Regeln nur für Kuriere, obwohl auch viele andere Beschäftigtengruppen in derselben Lage sind. Dieser Artikel befasst sich mit der derzeitigen Stellung der spanischen Plattformbeschäftigten innerhalb des Systems der sozialen Sicherheit und mit den jüngsten Gerichtsurteilen.
In den Niederlanden sind die Rechte der sozialen Sicherheit von Plattformbeschäftigten noch immer nicht formell verankert. Derzeit leitet sich das Sozialschutzniveau aller Arten von Beschäftigten direkt von ihrer arbeitsrechtlichen Einstufung ab. Da es in den Niederlanden weiterhin an besonderen gesetzlichen Vorgaben für Plattformbeschäftigte fehlt, insbesondere was das Arbeitsrecht und das Recht der sozialen Sicherheit anbelangt, gibt die aktuell bestehende Gesetzgebung den Weg vor. Dies bedeutet, dass Plattformbeschäftigte entweder als Angestellte mit dem entsprechenden weitreichenden Schutzpaket oder aber als Selbstständige mit einem eher beschränkten Sozialschutz betrachtet werden. Für die Mehrheit der Plattformbeschäftigten wird derzeit die zweite Option angewendet. Dennoch deuten die jüngsten Entwicklungen auf mögliche Verbesserungen in der Sozialversicherungssituation niederländischer Plattformbeschäftigter hin.
Dieser Artikel vergleicht die Deckung der sozialen Sicherheit von Selbstständigen und Angestellten, die in der Schweiz für digitale Plattformen arbeiten. Es wird auf die Besonderheiten eingegangen, die in der Schweiz zu einer Verlangsamung der Reaktion der Sozialversicherungsgesetzgebung auf neu entstehende Arbeitsformen geführt haben, und die im Fallrecht umgesetzten Lösungen werden zusammengefasst. Diese Lösungen werden nun zwar genauer angepasst, tendieren aber allgemein zu einer Neueinstufung dieser Arbeitsverhältnisse als lohnabhängige Beschäftigung. Schließlich werden die verfügbaren Optionen diskutiert, die sich trotz des Zögerns der Schweizer Behörden, politische Schritte einzuleiten, um diese neuen Arbeitsformen mit ihrem bedeutenden wirtschaftlichen Potenzial zu fördern, ergeben, während der Gesetzgeber gleichzeitig dem Risiko prekärer Arbeit vorzubeugen versucht.
In einer sich wandelnden Arbeitswelt bekunden Plattformarbeitnehmer oft Mühe, einen angemessenen Schutz zu erlangen, und dazu gehört auch der wirksame Zugang zu den Leistungen des Systems der sozialen Sicherheit. Die Leistungen der sozialen Sicherheit Rumäniens zeichnen sich dadurch aus, dass der Zugang vom Arbeitseinkommen einer Person abhängt, aber vom rechtlichen Status des Arbeitnehmers (angestellt oder selbstständig) nicht beeinflusst wird. Generell sind alle Arbeitnehmer im Krankheitsfall, bei veränderten Familienverhältnissen und im Ruhestand gedeckt. Im Gegensatz dazu ist für Selbstständige die Deckung für Arbeitslosigkeits-, Arbeitsunfall- und Berufskrankheitsleistungen sowie für bezahlten Krankheitsurlaub, für Leistungen bei einer Schwangerschaft und für Leistungen bei der Pflege kranker Kinder freiwillig. Angesichts der Verbreitung von Plattformarbeit befasst sich dieser Artikel mit der besonderen Situation von Plattformbeschäftigten in Rumänien, die zwar formell durch das System der sozialen Sicherheit gedeckt sind, aber vor zahlreichen Hindernissen bezüglich Anspruchsvoraussetzungen, administrativer Formalitäten, Risiken einer automatischen Beendung des Arbeitsverhältnisses und Arbeitsmustern mit zeitweiliger Beschäftigung stehen.
Plattformarbeit stellt die herkömmliche Gesetzgebung der sozialen Sicherheit vor zweierlei Herausforderungen. Erstens lassen sich lohnabhängige und selbstständige Beschäftigung nicht mehr genau voneinander trennen, da die Grenzen verschwimmen. Dies ist ein grundlegendes Thema für die Sozialversicherungsgesetzgebung, da die Unterscheidungskriterien zwischen lohnabhängiger und selbstständiger Arbeit genau festgelegt sein müssen. Hinsichtlich der Unterscheidung zwischen lohnabhängiger und selbstständiger Arbeit zeigt das deutsche Recht, dass bei der Bestimmung des Beschäftigungsstatus eine Verlagerung weg von externen und objektiven Kriterien hin zu einer Vereinbarung der Vertragsparteien stattgefunden hat, die nach Privatrecht umzusetzen ist, aber auch vom Recht der sozialen Sicherheit anerkannt wird. Zweitens ist Plattformarbeit stark an eine digitale Kommunikation gebunden, die den ganzen Globus umspannt. Plattformarbeit kann daher auch den internationalen Handel fördern, da transnationales Arbeiten verfügbarer und effizienter wird. Es muss demnach untersucht werden, welche Auswirkungen die Plattformarbeit für das Recht auf internationaler Ebene hat. Im internationalen Recht kann festgelegt werden, welche nationalen Gesetze von den Vertragsparteien anzuwenden sind. Der Schutz von Angestellten durch das Recht der sozialen Sicherheit hat demzufolge mit den privatrechtlichen Vereinbarungen zwischen Dienstleistungsanbietern und Dienstleistungsempfängern zu tun. Doch es gibt zahlreiche Lücken in den Sozialschutzvorkehrungen von Dienstleistungsanbietern. In vielen Ländern ist das Bewusstsein gewachsen, dass es Defizite im Sozialschutz von Plattformarbeitnehmern gibt, und es werden Maßnahmen geprüft, um den sozialen Status von Plattformarbeitnehmern zu verbessern. Analysen haben gezeigt, dass es in der gemeinsamen Verantwortung der Dienstleistungsanbieter und Dienstleistungsempfänger liegt, die Sozialversicherungsdeckung unter derselben nationalen Gesetzgebung zu verwirklichen. Aus Sicht des internationalen Rechts jedoch zeigt sich, dass die internationalen Rechtsnormen den Reformen oft Einschränkungen aufzwingen.
Sind die „Arbeitnehmer“ von Online-Plattformen wirksam und angemessen gegen soziale Risiken und gegen Arbeitsmarktrisiken geschützt? Der Artikel untersucht diese grundlegende Frage vor dem Hintergrund des dänischen Arbeitsmarkts, der dafür bekannt ist, dass die Arbeitsplatzunsicherheit hoch, das System der sozialen Sicherheit jedoch eher großzügig ist. Die Autorin kommt zum Schluss, dass das gesetzliche System der sozialen Sicherheit Dänemarks eine notwendige Abfederung gegen Risiken bietet, aber auch Schutzlücken aufweist, was die Deckungswirksamkeit und die Leistungsangemessenheit des Systems in Frage stellt.
Dieser Artikel wirft ein Licht auf die Debatte über die Regeln der sozialen Sicherheit, die für Plattformbeschäftigte in Italien gelten. Da die Systeme der sozialen Sicherheit nach Beschäftigungsart und Selbstständigkeit unterscheiden, werden hier Präzedenzfälle im italienischen Recht beschrieben, in denen es um den Beschäftigungsstatus von Plattformarbeitnehmern geht. Sodann werden die italienische Gesetzgebung, das Fallrecht und die Tarifverträge im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz skizziert, und es wird erklärt, auf welche Deckung Beschäftigte von Plattformen bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten Anrecht haben. Im Vordergrund stehen dabei die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Außerdem werden die beiden wichtigsten Mindesteinkommenssysteme Italiens und die entsprechenden wissenschaftlichen Debatten nachgezeichnet, und es wird darauf eingegangen, welche Auswirkungen diese Systeme darauf haben, dass die digitalen Arbeitsplattformen sich ihrer Verantwortung hinsichtlich der Arbeitnehmerrechte, einschließlich des Zugangs zu einem angemessenen Sozialschutz, entziehen können.
Diese Sondernummer der International Social Security Review befasst sich mit dem wichtigen Thema des Sozialschutzes für Beschäftigte digitaler Plattformen in Europa. In der aktuellen Ausgabe wird das Risiko beschrieben, dass die Sozialschutzsysteme durch das Auftauchen digitaler Plattformen und durch die Unterstützung, die diese von den Gesetzgebern der meisten Länder erhalten, ausgehöhlt werden könnten. Grund dafür sind der verbreitete Individualismus, die partielle oder vollständige Privatisierung der sozialen Sicherheit und die gesunkenen Schutzniveaus, die allesamt Zeichen einer abnehmenden gesellschaftlichen Solidarität sind.
Im Hinblick auf den Sozialschutz von Plattformbeschäftigten leitete der französische Gesetzgeber im Jahr 2016 und später 2019 Schritte ein, um diese Arbeitnehmer zur Deckung bestimmter Risiken (Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten) in das allgemeine System der sozialen Sicherheit aufzunehmen und die entsprechende Leistungsangemessenheit (durch einen möglichen Zugang zu einer Zusatzdeckung) zu verbessern. Diese Schritte beruhen allerdings auf einander entgegengesetzten Sichtweisen. Anstatt dass die rechtliche Verantwortung des Arbeitgebers gegenüber der Gesundheit und Sicherheit des Arbeitnehmers erhöht wird, besteht nun eine Verantwortung seitens der Plattform, zu der sich diese aber nur auf freiwilliger Basis im Rahmen der Sozialverantwortung des Unternehmens verpflichtet. Dadurch droht eine Fragmentierung der Leistungen der sozialen Sicherheit, die nun von jeder einzelnen Plattform festgelegt werden, wodurch die Praxis des gegenseitigen Schutzes und der Risikoverteilung zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern – der Kerngedanke der sozialen Sicherheit – ausgehöhlt wird. Der Gesetzgeber hat also das historische Verhältnis aufgekündigt, dessen Ziel der gesellschaftliche Zusammenhalt war, und er hat auf verschiedene Weise der Privatisierung und Rekommerzialisierung der sozialen Sicherheit im Interesse privatwirtschaftlicher Versicherungsunternehmen Vorschub geleistet. Außerdem wurde das französische Arbeitsrecht dafür als trojanisches Pferd benutzt. Dieser Ansatz steht im Gegensatz zum übereinstimmenden Standpunkt internationaler Organisationen wie Europäische Union, Internationale Arbeitsorganisation und Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die allesamt empfehlen, dass die Staaten das Recht auf Sozialschutz für alle Arbeitnehmer in atypischer und nicht lohnabhängiger Beschäftigung in ihren Gesetzen festschreiben. Anstatt die gemeinsamen Herausforderungen für Arbeitnehmer, die für digitale Plattformen tätig sind, zu identifizieren und spezifische Maßnahmen für ihre Situation anzubieten, wird Plattformarbeit im französischen Arbeitsrecht lediglich als eine der neuen Formen atypischer Arbeitsverhältnisse beschrieben, deren Protagonisten entweder den Status von Angestellten oder von Selbstständigen haben können.
Das Recht auf soziale Sicherheit ist in Artikel 23 der belgischen Verfassung verankert. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, dieses umzusetzen und das Recht aller Menschen auf ein Leben in Würde zu garantieren. Studien haben jedoch gezeigt, dass Plattformbeschäftigte in Sachen Sozialschutz vor nicht unbeträchtlichen Hürden stehen. Ziel dieses Artikels ist es aufzuzeigen, wo die geltenden gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur Umsetzung des Grundrechts auf soziale Sicherheit für Plattformbeschäftigte Grenzen aufweisen. Mit Blick auf diese gesetzlichen Bestimmungen stehen dabei sowohl die allgemeinen Regeln des belgischen Systems der sozialen Sicherheit als auch die jüngsten Maßnahmen des belgischen Gesetzgebers im Bereich der sogenannten kollaborativen Wirtschaft (Sharing Economy) im Vordergrund. Eine Analyse dieser Bestimmungen hat gezeigt, dass eine beträchtliche Zahl von Plattformbeschäftigten sowohl de facto als auch de jure von der sozialen Sicherheit ausgeschlossen ist. Dies wirft zumindest die Frage auf, ob der belgische Gesetzgeber sich an seine Verpflichtung hält, das in der Verfassung verankerte Recht auf soziale Sicherheit für Plattformbeschäftigte einerseits zu verwirklichen und andererseits auch nicht auszuhöhlen.
Mit Inkrafttreten der Rechtsverordnung Nr. 72 (2019) hat Sambia die Rentendeckung auch auf informell beschäftigte Arbeitnehmer ausgeweitet. In diesem Artikel werden Daten zu den Erfahrungen und Perspektiven sambischer Hausangestellter und Bus- und Taxifahrer hinsichtlich ihrer Rentendeckung präsentiert. Die Daten wurden aus Interviews und Gesprächen in Fokusgruppen gewonnen. Die Analyse der Daten zeigt, dass sich herkömmliche Rentensysteme, wie sie für Angestellte des formellen Sektors entworfen wurden, nicht für die Werte, Sichtweisen und Bedürfnisse informell Beschäftigter eignen, und dass für diese Arbeitnehmer die Rentendeckung keine Priorität darstellt. Als soziale Innovation brachte die Ausweitung des Zugangs zu einer Rentendeckung somit nur geringe relative Vorteile, und es fehlte an Anreizen, um Beschäftigte des informellen Sektors zu gewinnen. Im vorliegenden Artikel wird ein mitgliederzentrierter Rahmen vorgeschlagen, mit dem sich die Ausweitung der Deckung der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer des informellen Sektors einleiten lässt.
Weltweit leben Menschen mit Behinderung überproportional häufig in Armut. Sozialschutzstrategien wie Geldtransferleistungen gelten als wichtige Instrumente, um Armut in all ihren Formen zu bekämpfen, doch derzeit ist unklar, wie sich solche Programme auf Menschen mit Behinderung auswirken. Diese Studie untersucht die unterschiedlichen Auswirkungen des Kindergeldprogramms von Lesotho (Child Grant Programme) auf Ernährungssicherheit, Gesundheit, Bildung und Lebensunterhalt von Menschen mit und ohne Behinderung und verwendet dabei Daten aus einer randomisierten kontrollierten Studie. Die Untersuchung kommt zum Schluss, dass das Kindergeldprogramm je nach Gesundheitsindikatoren (wie höhere Gesundheitsausgaben, selbst eingeschätzter Gesundheitszustand, Wahrscheinlichkeit des Rückgriffs auf Gesundheitsdienstleistungen) signifikante und differentielle Auswirkungen für Menschen mit Behinderung hatte. Das Programm wirkte sich auch insofern auf die Ernährungssicherheit aus, als die Anzahl Monate gesenkt wurde, die Haushalte mit und ohne Familienmitglieder mit Behinderung vor extremer Nahrungsmittelknappheit standen. Zudem wurde eine geringere, aber dennoch signifikante und differentielle Auswirkung des Programms darauf ermittelt, ob Menschen mit Behinderung in bezahlter Arbeit sind. Auf den Schulbesuch wirkte sich das Kindergeldprogramm nur bei Kindern ohne Behinderung aus, und außerdem war der Unterschied nicht signifikant und wahrscheinlich nur durch zu kleine Stichproben bedingt. Insgesamt litten Kindergeldbezüger mit Behinderung weiterhin stark unter absolutem Mangel, generell immer noch stärker als die übrigen Menschen ohne Behinderung. Daher ist ein angepasster oder ergänzender Sozialschutz erforderlich, und zusätzlich sollten weitere Programme zur Armutsbekämpfung umgesetzt werden.
Ein Mechanismus, mit dem sich die Einkommensumverteilung durch Rentensysteme beeinflussen lässt, besteht darin, dass man eine beitragsunabhängige Finanzierung hinzunimmt. Diese Studie vergleicht anhand mathematischer Modellierungsinstrumente zwei Ansätze zur Finanzierung des argentinischen Rentensystems, die sich aus einer Optimierungsrechnung ergeben haben. Im einen Ansatz ist eine Finanzierung durch Einkommenssteuern gestattet, im anderen hingegen nicht. Der erste Ansatz hat sich hinsichtlich der Gleichheit als vorteilhafter erwiesen und verhält sich auch bei Änderungen des Finanzierungsanteils und des Parameters der Ungleichheitsaversion robust. Wenn die Entscheidungsträger mathematische Modellierungsinstrumente nutzen und dabei Zugang zu Daten von ausreichend hoher Qualität haben, dann kann verlässlich bestimmt werden, inwieweit eine bestimmte parametrische Reform zu einer besseren Einkommensverteilung beitragen kann (oder nicht).