Die seit 1948 veröffentlichte International Social Security Review ist die bedeutendste internationale Vierteljahreszeitschrift der Welt auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit.
Während die Ausgaben für Gesundheit und Pflege in europäischen Ländern seit Jahren unter scharfer Beobachtung stehen, wurde den finanziellen Folgen privater Ausgaben älterer Menschen als Voraussetzung für den Zugang zu diesen Leistungen und zur Pflege wesentlich weniger Aufmerksamkeit gewidmet. Nach Auswertung repräsentativer Querschnittsdaten zur älteren Bevölkerung von elf europäischen Ländern aus dem Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe (SHARE) für 2004 kommen wir zu dem Ergebnis, dass Direktzahlungen von Älteren für Gesundheit und Pflege in europäischen Ländern weitverbreitet sind und beträchtliche Auswirkungen auf das verfügbare Einkommen haben: Bis zu 95 Prozent der Älteren tätigen Direktzahlungen für Gesundheit und 5 Prozent für Pflege, wodurch ihr Einkommen jeweils zwischen 5 und 10 Prozent schrumpft. 0,7 Prozent der Haushalte Älterer, die Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen, und 0,5 Prozent der Haushalte Älterer, die Langzeitpflege in Anspruch nehmen müssen, erleiden infolgedessen finanziellen Ruin. Zu den Betroffenen zählen insbesondere die Armen, Frauen und sehr alte Menschen.
Dieser Artikel umfasst eine kritische Betrachtung des geplanten Verfahrens zur Bereitstellung von reformierten Sozialleistungen in der Form eines Universal Credit (UC) im Vereinigten Königreich. Es wird die Auffassung vertreten, dass der UC schon deshalb zum Scheitern verurteilt ist, weil das entsprechende Gesetz dahin gehend erweitert wurde, auch den Modus („standardmä ßig digital“) der Bereitstellung von Leistungen vorzuschreiben. Die Autoren legen dar, dass dem Verfahren ein ganzer Satz von auf den ersten Blick nicht sichtbaren, aber omnipräsenten Annahmen zu positiven Skaleneffekten in der Verwaltung zugrunde liegt, mit dem die Regierung ihr erklärtes Ziel erreichen will: nämlich, dass sich „Arbeit lohnt“. Im Anschluss wird die „Vanguard‐Methode“ von Seddon als praktisches Beispiel dafür vorgestellt, wie eine lokale Behörde für Wohnbeihilfe einen besseren Dienst anzubieten vermag. Mit dieser Methode können innert der Hälfte der offiziellen Zeit‐Zielvorgaben 50 Prozent mehr Anfragen mit weniger Ressourcen bearbeitet werden. Der Artikel schließt mit dem Aufruf, beim Entwurf von Gesetzen die realen Gegebenheiten stärker zu gewichten.
In diesem Artikel beurteilen wir die Wirksamkeit von Rentenbereitstellung und Krankenversicherung für die Krankheitsprävention bei älteren Menschen in Entwicklungsländern. Wir behaupten, dass in den Sozialschutzagenden bis vor kurzem der Prävention von Gesundheitsrisiken zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet und stattdessen das Schwergewicht auf die Verringerung der Einkommensarmut durch Geldtransfers gelegt worden ist. Im vorliegenden Beitrag wird gezeigt, dass wenige zuverlässige Beweise vorliegen, aus denen sich ableiten ließe, dass die Bereitstellung von Rentenleistungen für ältere Menschen deren Gesundheitszustand verbessert, und dass dieses Ergebnis daher von den Entscheidungsträgern nicht als gesichert vorausgesetzt werden sollte. Wir befassen uns anschließend damit, wie die Einbeziehung älterer Menschen in Krankenversicherungssysteme deren Gesundheit beeinflusst und gehen konkret auf die Ergebnisse bei Bluthochdruck ein. Unter Bezugnahme auf die erst seit kurzem verfügbaren Daten von der Weltgesundheitsorganisation für Ghana, Mexiko und Südafrika wird gezeigt, dass sich ältere Menschen, die über eine Krankenversicherung verfügen, Gesundheitsproblemen wie Bluthochdruck mit geringfügig grösserer Wahrscheinlichkeit bewusst sind, und dass sie diese höchstwahrscheinlich unter Kontrolle haben. Dessen ungeachtet wird die überwiegende Mehrheit älterer Menschen mit Bluthochdruck — ob versichert oder nicht versichert — nicht wirksam behandelt. Es zeigt sich, dass die hauptsächlichen Hindernisse zur Behandlung vorallem mit dem Bewusstsein und Leistungsangebot zu tun haben und weniger mit den Finanzen. Folglich hängt die Fähigkeit von Renten‐ oder Krankenversicherungen, zu besseren Gesundheitsergebnissen älterer Menschen in solchen Ländern wie auch in ländlichen Gebieten beizutragen, stark von der Gesundheitserziehung, von medizinischen Untersuchungen und einem geeigneten Leistungsangebot ab. Diese Interventionen sollten als ein integraler Bestandteil von Standard‐Sozialschutzstrategien betrachtet werden und nicht in Ergänzung zu diesen. In der Praxis werden jedoch Sozialschutz und Gesundheitsförderung weiterhin als fast vollständig separate Bereiche behandelt, und müssen daher als substanzielle institutionelle Hindernisse zur Entwicklung kombinierter Interventionen angesehen werden.
Themen:
Gesundheit
Altersrenten
Stichworte:
Altersrisiko
Krankheitsrisiko und Gesundheitsförderung
Gesundheitszustand
Präventivmedizin
Beziehungen zwischen verschiedenen Sozialversicherungszweigen
Starke Programme der sozialen Sicherheit, die kollektive und individuelle Sicherheit fördern, können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, soziale Unsicherheit zu verhindern: Sie fungieren als eingebaute automatische Stabilisatoren mit sozialem, politischem und wirtschaftlichem Nutzen für die Gesamtgesellschaft. Im Gegensatz dazu haben schwächere Systeme de facto eine eingebaute destabilisierende Wirkung. In vielen Ländern hat die Art und Weise, wie Systeme der sozialen Sicherheit dazu beitragen, soziale und wirtschaftliche Unsicherheit zu verhindern, an Wirkung eingebüßt. Wir untersuchen hier die Gründe für die relative Vernachlässigung des Präventionsgedankens sowie die Veränderungen, die in den Systemen der sozialen Sicherheit ganz konkret zu einer Schwächung der präventiven Elemente geführt haben. Der strukturelle Kontext, innerhalb dessen Handlungskonzepte zur sozialen Sicherheit umgesetzt werden müssen, und insbesondere die Qualität und die Quantität von Beschäftigung sowie die Interaktion mit anderen Programmen öffentlicher Stellen haben natürlich einen großen Einfluss auf ihre Fähigkeit, präventiv zu wirken. Dennoch können Systeme viel erreichen, wenn sie die Aufmerksamkeit stärker auf die Notwendigkeit richten, Unsicherheit zu verhindern. Um eine Debatte über diese Thematik anzuregen und die Rolle der Prävention ins Zentrum zu rücken, werden Vorschläge zur Stärkung des Präventivbeitrags in Programmen der sozialen Sicherheit unterbreitet.
In der Europäischen Union stellt sich nach dem sozialen Abbau infolge der explodierenden Schulden der Mitgliedsstaaten die entscheidende Frage, wie dem drohenden gesellschaftlichen Ausschluss vorgebeugt werden kann. Mögliche Ansätze liegen im Schnittpunkt zwischen der Arbeitsmarkt‐ und Weiterbildungspolitik und den Reformen, mit denen die Sozialschutzsysteme an die neuen sozioökonomischen Gegebenheiten angepasst werden sollen (Bevölkerungsalterung, instabile Familien, verbreitete Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Armut trotz Arbeit, anhaltende oder zunehmende soziale Ungleichheiten). In diesem Artikel versuchen wir zu zeigen, dass die Förderung des Sozialschutzes unter dem Leitgedanken der sozialen Investition ein ausgezeichnetes Mittel ist, um lebenslange Chancengleichheit, dauerhafte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (Gewinn an struktureller Wettbewerbsfähigkeit) und gesellschaftlichen Zusammenhalt im Interesse des allgemeinen Wohlergehens miteinander zu verbinden. Im Vordergrund steht die Förderung der allgemeinen und individuellen Menschenrechte auf Mobilität und lebenslange Weiterbildung, die zur Kompensation der Anforderungen der Arbeitsmarktflexibilität als neue soziale Grundrechte eingeführt werden könnten. Der Artikel unterstreicht auch, wie wichtig es wäre, diese Rechte innerhalb der Europäischen Union in einer erweiterten sozialen Grundsicherung zu verankern. Damit würde dem Risiko gesellschaftlichen Ausschlusses in der Union dauerhaft vorgebeugt, und die wirtschaftliche und soziale Integration, die mit der überarbeiteten Lissabon‐Strategie (2003‐2005) eingeleitet wurde, würde gefördert, und Vertrauen und Hoffnung der europäischen Bürger könnten gestärkt werden.
Nigeria hat eine sehr junge Bevölkerung und die Anzahl Stellen auf dem formellen Arbeitsmarkt sind begrenzt, weshalb sich die Suche nach formeller Beschäftigung schwierig gestaltet und zu ausbeuterischen Arbeitsbedingungen führen kann. Um der prekären Situation der nigerianischen Arbeitnehmer entgegenzuwirken, trat im Dezember 2010 ein neues Gesetz, der Employee's Compensation Act (ECA), in Kraft. Eine Besonderheit des ECA ist, dass er auch Zahlungen bei Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit oder „psychischem Stress“ vorsieht, der im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses auftritt. Im vorliegenden Artikel werden die Stärken und Schwächen der Bestimmungen des ECA untersucht, vor allem die Bedingungen für den Nachweis psychischer Schäden bei Entschädigungsansprüchen. Die allgemeineren Auswirkungen des ECA auf die Entwicklung von Entschädigungsrichtlinien bei psychischen Erkrankungen in Subsahara‐Afrika werden erörtert und Vorschläge für eine zukünftige Überarbeitung des ECA aufgeführt.
Themen:
Behinderung
Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten
Stichworte:
Risiko von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten
Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten
Die Anzahl informell Erwerbstätiger nimmt weltweit zu. Aufgrund von weltweiten Veränderungen der Beschäftigungstrukturen und Arbeitsplätze sind viele ärmere Arbeiter bei der Arbeit Gefahren und gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Informell Beschäftigte haben jedoch keinen Zugang zu arbeitsabhängiger sozialer Sicherheit. Obschon hohen arbeitsbedingten Gefahren ausgesetzt, verfügen sie dabei aber über keinen oder kaum zuverlässigen formellen oder informellen sozialen Schutz. Bei bürgerorientierten Programmen der sozialen Sicherheit wie Sozialtransfers werden die Bedürfnisse arbeitsfähiger, erwerbstätiger Erwachsener nicht ausreichend berücksichtigt. Auch sind informelle Arbeitsplätze nicht durch die üblichen Zweige und Programme der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz (GSA bzw. OHS, occupational health and safety) abgedeckt, die eine wesentliche Komponente der arbeitsabhängigen sozialen Sicherheit darstellen. Besonders ärmere informell Erwerbstätige befinden sich in einer ungünstigen Ausgangsposition, um sich an möglichen Präventionsmaßnahmen beteiligen zu können, da dies kurzfristige Verdienstausfälle mit sich bringt. Ein umfassenderer, inklusiver Ansatz erfordert organisatorische Änderungen in der Sicherung von Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Insbesondere sollten lokale Behörden und auch Organisationen informell Erwerbstätiger einbezogen werden, die einflussreiche branchenspezifische Netzwerke auf internationaler Ebene entwickeln. Dazu stellt dieser Artikel vielversprechende Beispiele inklusiver Reformen von GSA‐Richtlinien vor, die auf dem Verhandlungsweg erreicht wurden. Ein größeres Vorhaben ist die Weiterentwicklung der GSA in dem Sinn, dass informell Erwerbstätige ausdrücklich als Erwerbstätige gelten und nicht nur als besonders „gefährdete Personengruppe“, für die nur Programme zum Schutz vor Armut infrage kommen. Und dabei sollten Präventivmaßnahmen eine wichtige Rolle spielen.
Themen:
Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten
Deckungsausweitung
Stichworte:
Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten
In den Niederlanden wurden die Frührentensysteme und die Invalidenversicherung in den vergangenen Jahrzehnten mehreren Reformen unterzogen. Durch die Reformen wurde der Anreiz für ältere Arbeitnehmer, weiter beschäftigt zu bleiben, erhöht, und die Bedeutung „alternativer Wege“ in den Ruhestand ist zurückgegangen. Dieser Artikel gibt eine Übersicht über die Reformen und testet anhand von Verwaltungsdaten für Arbeitnehmer im Gesundheitssektor einige Hypothesen zur Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer. Dabei ergeben sich zwei wichtige Befunde: i) Die niederländischen Reformen waren tatsächlich wirksam, da die Erwerbsquote älterer Arbeitnehmer zugenommen hat; und ii) das Konzept der „alternativen Wege“ ist weniger relevant geworden, da der Weg über die Invalidenversicherung als Austritt aus dem Erwerbsleben in einen vorzeitigen Ruhestand unterbunden wurde. Dennoch ist bei der Übertragung dieser Befunde aus den Niederlanden auf andere OECD‐Staaten Vorsicht geboten, da die Ergebnisse stark von den institutionellen Rahmenbedingungen der einzelnen Länder abhängen.
Dieser Artikel untersucht anhand eines Katalogs lokaler und/oder nicht gesetzlich geregelter Sozialleistungen (Droits connexes) in 13 französischen Gemeinden zunächst die finanziellen Vorteile einer Rückkehr in das Erwerbsleben für Empfänger gesetzlich geregelter, bedarfsorientierter staatlicher Sozialleistungen (Revenu minimum d'insertion — RMI und Allocation parent isolé — API) vor 2009, gegliedert nach Haushaltstypen. Die Reformen der nationalen, gesetzlich geregelten Sozialleistungen während der 2000er‐Jahre, insbesondere der Beschäftigungsprämie (Prime pour l'emploi — PPE), konnten nicht sicherstellen, dass sich eine Arbeitsaufnahme für die Empfänger bedarfsorientierter Sozialleistungen in jedem Fall finanziell lohnte. In den meisten Städten war es für die meisten Haushalte ein finanzieller Verlust, eine mit dem Mindestlohn vergütete Teilzeitstelle anzunehmen, und selbst eine Vollzeitstelle lohnte sich finanziell nicht immer. Die Wirkung der Reformen wurde durch andere Maßnahmen wie die von vielen Regionalräten beschlossene Ermäßigung für den öffentlichen Nahverkehr, die Ausweitung von Sozialtarifen für Telefon und Elektrizität und die Befreiung von den Fernsehgebühren abgeschwächt. Daran anschließend präsentiert der Artikel Simulationen der Auswirkungen des Revenu de solidarité active (RSA), das im Jahr 2009 anstelle des RMI eingeführt wurde. Hierbei werden auch die Auswirkungen steigender nationaler, gesetzlich geregelter Sozialleistungen auf lokale und/oder nicht gesetzlich geregelte Sozialleistungen berücksichtigt. Es ist festzustellen, dass das RSA bei den meisten Haushaltstypen und Gemeinden die finanziellen Negativanreize einer Arbeitsaufnahme aufhebt. Der Artikel zeigt, dass der von der Regierung beschlossene Grenzsteuersatz von 38 Prozent sehr nah an der möglichen Obergrenze für einen lohnenden Wiedereinstieg in das Erwerbsleben liegt.
Der vorliegende Artikel analysiert das Erwerbsunfähigkeitsrisiko für Arbeitnehmer, die Beiträge zum Argentinischen Integrierten System der sozialen Sicherheit (Sistema Integrado Previsional Argentino — SIPA) entrichten. Die verwendeten Verwaltungsunterlagen für 2000 bis 2006 ergaben, dass in diesem Zeitraum 1,46 von 1 000 Arbeitnehmern pro Jahr erwerbsunfähig wurden. Die Raten für das Erwerbsunfähigkeitsrisiko waren für Männer höher als für Frauen und nahmen für beide Geschlechter mit dem Alter zu. Die Werte für das Erwerbsunfähigkeitsrisiko wurden unter Berücksichtigung der Auswirkungen von Alter und Geschlecht auch nach Pathologie und System der sozialen Sicherheit aufgeschlüsselt.
Ziel dieses Artikels ist eine genaue Analyse der Umverteilungswirkung von sozialen Transferprogrammen und Steuern in 28 Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung durch eine Berechnung mit Daten, die aus der Datenbank der Mikrodaten der Luxembourg Income Study stammen. Wir kommen zum Ergebnis, dass in Sozialstaaten die Ungleichheit um durchschnittlich 35 Prozent reduziert wird. Sozialleistungen haben dabei eine viel größere Umverteilungswirkung als Steuern. Bei den Sozialprogrammen tragen die öffentlichen Renten am stärksten zur Verringerung der Einkommensungleichheit bei, wenn auch mit beträchtlichen Unterschieden von Land zu Land. Sozialhilfe, Invaliden‐ und Familienleistungen tragen in geringerem Ausmaß ebenfalls dazu bei, dass die Einkommensunterschiede kleiner werden.
1997 waren Ungarn und Polen die ersten Länder in Mitteleuropa, die ihre nationalen Rentensysteme teilweise privatisierten, indem sie einen Teil der Beiträge zur staatlichen Rente auf privat verwaltete individuelle Anlagekonten leiteten. Nach der globalen Wirtschaftskrise beschränkten indes beide Regierungen die Systeme der zweiten Säule: Ungarn (im Dezember 2010) durch die Einstellung der Finanzierung dieser Konten und die Überführung der Guthaben der meisten Arbeitnehmer in den Staatshaushalt, Polen (im April 2011) durch die Verringerung der zur zweiten Säule umgeleiteten Beiträge. Die Faktoren, die Anlass zu dieser Beschränkung waren, werden bis auf die ursprüngliche Ausgestaltung der jeweiligen zweiten Säule im Jahr 1997 zurückverfolgt, bei der in beiden Fällen versäumt wurde, wichtige Fragen zur Finanzierung der Konten, zum Umfang der privaten Leistungen und zu den Gebühren für die private Anlageverwaltung zu regeln. Obwohl beide Regierungen versuchten, die fehlenden Gestaltungsregelungen während des Betriebs der zweiten Säule nachzuholen, waren die Ergebnisse beschränkt. Die globale Wirtschaftskrise verschärfte die Situation, weil sie die Anlagerenditen verringerte und die Fremdkapitalkosten erhöhte. In den Schlussfolgerungen wird auf einige offene Probleme eingegangen, deren Lösung für die langfristigen Auswirkungen der Beschränkung der zweiten Säule von Bedeutung sein wird.
Dieser Artikel analysiert die Wirksamkeit des garantierten Mindesteinkommens (Revenu Minimum Garanti, RMG) in Luxemburg, ausgehend von den Daten aus dem Jahr 2007. Zur Ermittlung der Wirksamkeit dieser Hilfsleistung zählen wir zunächst die anspruchsberechtigten Haushalte im Jahr 2007 einmal nach den Kriterien von 2007 und einmal nach den Kriterien von 1986 . Es zeigt sich, dass nach den Kriterien von 2007 5,5 Prozent der Haushalte bezugsberechtigt sind, während es nach den Kriterien von 1986 nur 3,75 Prozent gewesen wären. Dies belegt, dass durch die Ausweitung der Berechtigungskriterien mehr von Armut betroffene Haushalte erreicht werden. Anschließend analysiert der Artikel die Wirksamkeit unter einem anderen Aspekt, nämlich demjenigen der Nichtinanspruchnahme im Jahr 2007. Zwei Drittel der bezugsberechtigten Haushalte haben das RMG nicht in Anspruch genommen. Regressionsanalysen der möglichen Faktoren der Nichtinanspruchnahme haben die häufig in der Literatur angeführten Hypothesen bestätigt: So spielen einerseits der finanzielle Aspekt, also der nutzbare Nettowert der Unterstützung, und andererseits die Stigmatisierung, die mit der Inanspruchnahme einhergeht, eine wesentliche Rolle bei der Nichtinanspruchnahme des RMG.
Dieser Artikel untersucht die Umsetzung eines universellen Grundeinkommens, das ist ein für dieses bisher vernachlässigter Forschungsbereich. Wir beschreiben und erläutern drei wichtige praktische Engpässe, die verhindern könnten, dass das System des Grundeinkommens die von den Befürwortern gewünschte und behauptete universelle Deckung erreicht: i) die Führung eines bevölkerungsweiten Verzeichnisses oder „Katasters“ mit allen Anspruchsberechtigten, das eine volle Inanspruchnahme gewährleisten soll; ii) die Einführung robuster Auszahlungsmodalitäten, mit denen alle anspruchsberechtigten Leistungsempfänger erreicht werden und iii) die Schaffung eines wirksamen Aufsichtsmechanismus in einem politischen Kontext, der sich einer Kundenüberwachung aktiv widersetzt. Wir machen geltend, dass die Umsetzung eines universellen Grundeinkommens vor einzigartigen Herausforderungen steht, die von den Befürwortern genau bedacht werden müssen.
Die meisten Länder haben für die Angestellten des öffentlichen Sektors separate Rentenpläne. Die zukünftige Belastung des Staatshaushalts durch diese Rentenpläne kann beträchtlich sein, da der Staat gewöhnlich der größte Arbeitgeber ist, die Rentenversprechen im öffentlichen Sektor tendenziell relativ großzügig sind und zukünftige Zahlungen direkt aus Staatseinnahmen (Umlageverfahren) oder durch tendenziell unterfinanzierte kapitalgedeckte Rentenfondspläne bestritten werden müssen. Bei der Bewertung und Veröffentlichung dieser Rentenversprechen fehlt es in einigen Ländern an Transparenz, sodass möglicherweise enorme Haushaltsverpflichtungen an zukünftige Arbeitnehmergenerationen weitergegeben werden. Um die Haushaltsbelastungen durch die Rentenpläne des öffentlichen Sektors in den verschiedenen Ländern fair vergleichen zu können, empfiehlt dieser Artikel zwecks besserer Transparenz der öffentlichen Finanzen und zur Erleichterung der politischen Entscheidungsfindung, die ungedeckten Rentenverbindlichkeiten nach einem Standardansatz zu erfassen und zu veröffentlichen. Von einer Auswahl von Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wird eine Schätzung der ungedeckten Verbindlichkeiten per Ende 2008 als beizulegende Zeitwerte (fair values) vorgelegt. Diese Haushaltsbelastung kann auch als beizulegender Zeitwert der impliziten Rentenschulden interpretiert werden.
Japan und die Republik Korea verwirklichten die allgemeine Krankenversicherung für ihre Bevölkerung 1961 beziehungsweise 1989. Derzeit betreibt Japan weiterhin ein soziales Krankenversicherungssystem mit einer Vielzahl von Kassen, während die Republik Korea zu einer integrierten Einheitskasse für die nationale Krankenversicherung übergegangen ist. Dieser Artikel analysiert den Einfluss der politischen Ökonomie auf die Entwicklung der grundsatzpolitischen Unterschiede zwischen diesen beiden Krankenversicherungssystemen nach dem Bismarck'schen Modell. Zu den Themen, auf die eingegangen wird, zählen etwa Unterschiede der politischen Macht, der politische Einfluss der Wirtschaft, die Frage, inwieweit sich eine regionale Autonomie entwickelt hat und regionale Besonderheiten beibehalten wurden, der Grad der politischen Demokratisierung, die Form der politischen Führung und das Ausmaß der Entwicklung des Krankenversicherungssystems. Aus den Erfahrungen beider Länder werden grundsatzpolitische Erkenntnisse abgeleitet.
Eine der großen Herausforderungen der Sozialpolitik Lateinamerikas lautet, wie angesichts des umfangreichen informellen Sektors soziale Sicherheit für die ganze Bevölkerung gewährleistet werden kann. In Argentinien, Vorreiter in der Region bei der Entwicklung von Rentensystemen, verfügte 2005 mehr als ein Drittel der Personen im Rentenalter über keine Rentenleistungen. Nach der Einführung eines Programms mit gelockerten Beitragsbedingungen konnte die Deckung beträchtlich ausgeweitet werden, und auch zahlreiche Senioren, die sich außerhalb des Systems befanden, beziehen nun Rentenleistungen. Dieser Artikel untersucht die Auswirkungen des Programms auf den Umfang und die Verteilung der Deckung, zeigt Veränderungen der soziodemografischen Faktoren auf, die für die Teilnahme am Rentensystem bzw. für den Ausschluss davon entscheidend sind, und diskutiert Hindernisse, die eine universelle Deckung mittel‐ und langfristig nach wie vor erschweren.
In diesem Artikel möchten wir in groben Zügen Richtlinien skizzieren für die Gestaltung eines Informationsbriefs an Personen, die Beiträge an das spanische staatliche Rentensystem entrichten, falls je ein solches Instrument zum Einsatz kommen sollte. Anhand internationaler Erfahrungen und veröffentlichter Forschungsarbeiten in diesem Bereich untersuchen wir das Konzept der „individuellen Renteninformation“ und ermitteln dessen wichtigste Merkmale. Anschließend beschreiben wir zwei Modelle für die individuelle Renteninformation (aus den Vereinigten Staaten und Schweden) im Detail und richten unsere Aufmerksamkeit insbesondere darauf, wie sie strukturiert sind, welche Aspekte verbessert werden könnten und wo sie Schwächen aufweisen. Zum Schluss formulieren wir Empfehlungen für die Gestaltung eines Modells für Spanien.
Der vorliegende Artikel untersucht den Zeitpunkt der Einführung von vier wichtigen Komponenten der sozialen Sicherheit — Arbeitsunfallversicherung, Krankengeld, Renten und Familienbeihilfen — in 43 afrikanischen Ländern. Er geht des Weiteren auf die Frage ein, ob die Gesetzgebungsstruktur, die vorherrschende Religion oder die koloniale Vergangenheit des jeweiligen Landes von Bedeutung sind, wenn wir das Jahr der Unabhängigkeit, den Wohlstand, den Grad der Demokratie, die Regierungsstabilität, die Industrialisierung sowie Größe und ethnische Homogenität der Bevölkerung auf ihren jeweiligen Einfluss hin überprüfen. Auf der Grundlage des Regressionsmodells von Cox kann geschlossen werden, dass industrialisierte, homogene und recht bevölkerungsreiche Länder, die unter französischer Herrschaft gestanden haben, bei der Gesetzgebung zur sozialen Sicherheit in Afrika im Allgemeinen Vorreiter sind.
2009 führte Argentinien ein neues Bargeldtransferprogramm für Kinder und Heranwachsende unter 18 Jahren (universelle Kinderzulage) ein, womit die Deckung durch das beitragspflichtige Familienzulagensystem auch auf Familien ausgeweitet wurde, deren Eltern arbeitslos oder in der informellen Wirtschaft tätig sind. Der vorliegende Artikel beschreibt dieses innovative Programm und vergleicht es mit ähnlichen Programmen in Lateinamerika. Zudem werden Auswirkungen auf die Deckung und mögliche Folgen für das Wohlergehen der Bevölkerung beleuchtet. Wie die Ergebnisse zeigen, verkleinert die Ausweitung des Zugangs zu solchen Leistungen die Deckungslücke für die Armen und Bedürftigen beträchtlich und hat zur Konsolidierung der verschiedenen, schlecht koordinierten Transferprogramme beigetragen.